Darum geht es: Ein neues Gesetz, das vom ukrainischen Parlament beschlossen wurde, sorgt für Debatten. Es erlaubt, religiöse Gemeinschaften, die den Krieg Russlands in der Ukraine unterstützen, zu verbieten. Es richtet sich gegen jene ukrainisch-orthodoxe Kirche, die zum Patriarchat Moskau gehörte. Papst Franziskus spricht sich gegen das Gesetz aus.
Warum wird das Gesetz kritisiert? Man sorgt sich um die Religionsfreiheit. «Kirchen sind unantastbar», sagte Franziskus. In den ersten Tagen hörte man für den Beschluss des Parlaments vor allem Verständnis, weil dadurch prorussische Kräfte in der Ukraine geschwächt werden sollen. Nun wird die Sorge um die Religionsfreiheit immer lauter.
Warum ist das Gesetz problematisch? Neben dem Papst hat etwa auch der Weltkirchenrat Bedenken. Es ist ein Spannungsfeld. So beschreibt es auch Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde an der Universität Münster, gegenüber dem Deutschlandfunk: «Es gibt Gründe, genau hinzuschauen, an welchen Stellen Kirchenvertreter mit Russland kooperieren, die russische Ideologie unterstützen und das als religiös verschleiern.» Dagegen müsse der Staat vorgehen.
Warum soll die Religionsfreiheit in Gefahr sein? Laut Elsner dürfe der Staat die Religionsfreiheit von Menschen nicht einschränken, weil er einen Verdacht habe oder weil Russland sagt: «diese Kirche gehört zu uns». Stattdessen müsse man dafür sorgen, dass ukrainische Menschen zu der Religionsgemeinschaft ihrer Wahl gehören dürften.
Was ist die Vorgeschichte? 2022 hatte die ukrainisch-orthodoxe Kirche sich von Moskau losgesagt. Wie konsequent, bleibt fraglich. Sie wurde keine ganz eigenständige sogenannte autokephale Kirche . Anders die 2018 gegründete orthodoxe Kirche in der Ukraine. Dennoch sei eine Pauschalverurteilung schwierig, so Elsner.
Der Kern der Debatte: «Das Problem ist, dass eine gesamte Religionsgemeinschaft als prorussisch stigmatisiert wird», so Elsner. Mit diesem Gesetz würde nicht mehr auf die Einzelfälle geschaut.
Keine einfache Lösung: Wäre das Dilemma nicht gelöst, wenn sich alle Gemeinden der autokephalen orthodoxen Kirche mit Patriarchat in Kiew anschliessen würden? «So einfach ist das nicht», sagt Stefan Kube, Ostkirchen-Experte beim Zürcher Forum Religion und Gesellschaft in Ost und West. Um die ukrainische Kirchenspaltung zu überwinden, brauche es mehr Dialog. Es habe zwar in beiden Kirchen Dialoggruppen gegeben, doch ohne Unterstützung der Leitungspersonen. Jede der beiden Kirchen poche darauf, die rechtmässige orthodoxe Kirche auf ukrainischem Boden zu sein.
Verbot nicht umfassend umsetzbar: Die gesamte ukrainisch-orthodoxe Kirche zu verbieten, ginge nicht ohne Weiteres, sagt Kube. «Denn jede der etwa 9000 Kirchgemeinden ist für sich eine juristische Person. Es bräuchte also 9000 Verfahren, in denen der jeweiligen Gemeinde nachgewiesen werden müsste, dass sie prorussisch eingestellt sei und handle.»
Welche Folgen hätten einzelne Verbote? Es könnten zwar einzelne pro-russische Gemeinden verboten werden oder in die Kiew-treue orthodoxe Kirche übertragen werden. Doch dass sich die Gläubigen und ihre Geistlichen weiterhin versammeln, könne man nicht so leicht unterbinden. Dann wären sie einfach eine nicht registrierte Gemeinde, die halb in der Illegalität wirkt. «Sollte es dazu kommen, so wäre das für den gesellschaftlichen Frieden nicht förderlich», sagt Stefan Kube.