Entstanden ist die Gruppe «gemeinsam einsam» am Küchentisch von Adina Rom. «Ich habe mit einer muslimischen Freundin und einem jüdischen Freund Schabbat gefeiert, kurz nach dem schrecklichen Überfall der Hamas auf Israel», erzählt die Schweizer Jüdin und ETH-Entwicklungsökonomin.
«Wir waren alle bestürzt und unglaublich traurig über die Ereignisse. Und haben gleichzeitig gemerkt, wie gut uns dieser Austausch tut.»
Gemeinsam einsam sein – das hilft
Dieses Gefühl, der Ohnmacht gemeinsam besser begegnen zu können, wollten die drei auch anderen ermöglichen. Sie gründeten eine Whatsapp-Gruppe, zu der kurz später auch Furkan Oguz stiess – auch er Ökonom und Schweizer Muslim, wie er sich selbst beschreibt. «Ich war unglaublich dankbar, diese Plattform zu erhalten», sagt er.
Er schätzt, dass bei «gemeinsam einsam» Juden und Musliminnen gemeinsam über den Krieg im Nahen Osten, den Terrorangriff der Hamas, den israelischen Militäreinsatz und die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen sowie die Auswirkungen auf die Schweiz sprechen können. «Wir haben alle Empathie füreinander, trauern und hoffen gemeinsam.»
Selbsthilfegruppe mit aktivistischem Touch
Unterdessen umfasst die Gruppe 35 Mitglieder: junge und ältere, religiöse und nicht-religiöse, in der Schweiz verwurzelte und zugezogene. «gemeinsam einsam» ist eine Art Selbsthilfegruppe mit aktivistischem Touch.
Denn nach den Messerattacken gegen einen orthodoxen Juden in Zürich und gegen eine muslimische Familie in Bad Ragaz organisierte «gemeinsam einsam» zwei Solidaritätskundgebungen. «Ich spürte: Wir sind nicht allein. Das hat mich sehr berührt», erzählt Furkan Oguz.
Das Gefühl der Verbundenheit als Minderheiten in der Schweiz sei wertvoll. Adina Rom ergänzt: «Für uns ist klar: Wir lassen uns durch die Gewalt nicht spalten. Wir sind füreinander da und unterstützen einander.»
«Wir sitzen im gleichen Boot»
Das sei nötig, denn sowohl Juden als auch Musliminnen seien in der Schweiz noch immer Diskriminierungen ausgesetzt. Der Antisemitismus, aber auch der antimuslimische Rassismus, hat seit Beginn des Krieges in Israel und im Gazastreifen zugenommen.
«Wir sitzen im gleichen Boot», betont Adina Rom. «Im Coop etwa sind Kopfbedeckungen im Verkauf verboten. Das betrifft jüdische Männer ebenso wie muslimische Frauen.»
Eine weitere Gemeinsamkeit als Minderheiten: Sie müssten sich für Dinge rechtfertigen, mit denen sie nichts zu tun hätten. Für islamistischen Terror etwa oder die Kriegsführung des Staates Israel. Empörend sei das, finden Furkan Oguz und Adina Rom.
Jüdisch-muslimische Freundschaft sichtbar machen
Im Gespräch achten die beiden stets darauf, die Benachteiligung der anderen Seite aufzuzählen. Adina Rom erzählt, wie muslimische Frauen wegen ihres Kopftuches angespuckt werden. Furkan Oguz erwähnt den antisemitischen Vorfall in Davos , als ein Anbieter orthodoxen Touristen keine Schlitten verleihen wollte.
Einander zuhören, nicht urteilen und empathisch bleiben, sei heute wichtiger denn je.
«gemeinsam einsam» soll eine private Gruppe bleiben. Doch die beiden wünschen sich, dass in der Schweiz noch viele weitere Gruppen wie die ihre entstehen – und die jüdisch-muslimische Freundschaft damit erlebbar und sichtbar wird.