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Upgrade mit Downsides Ich habe jetzt auch so ein «Heroingerät»

Der Letzte ohne Smartphone – das war ich. Jetzt holt mich die digitale Realität ein. Tropft da ein Tränchen auf den Touchscreen?

Stefan Gubser

Kulturredaktor

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Stefan Gubser macht Online-Journalismus, seit es das Internet gibt. Früher befragte der studierte Germanist berühmte Schauspieler. Heute wird er gerne mit einem verwechselt. Aber nur des Namens wegen!

«Davon geht doch die Welt nicht unter», findet der Freundeskreis ziemlich unisono. «Meine schon», fauche ich zurück, mit der Jesus-am-Kreuz-Miene eines Method-Actors. Natürlich: Es gibt auch in meinem nächsten Umfeld verständnisvolle Leute, die es nie besonders smart fanden, dass ich ohne Smartphone durchs Leben gehe. Immerhin musste ich mir von ihnen nicht mehr Fragen gefallen lassen wie: «Und wie schlägst du die Zeit tot, wenn du irgendwo auf den Bus wartest?» (Ich warte auf den Bus.)

Auch ich fingere ganz neuerdings auf einem Smartphone herum.

Jetzt geht's nicht mehr ohne Smartphone. Mir war klar, dieser Tag würde mir eines Tages grauen, auch wenn ich in einem Text, den ich für meinen einzigen halte, der das Prädikat «zeitlos gültig» verdient, mir das Gegenteil versprochen habe. Mein – daran hat sich nichts geändert – Haupteinwand gegen das «Heroingerät», wie ein Freund es zu nennen beliebt: Die Dinger mögen praktisch sein. Ich finde «praktisch» praktisch immer überschätzt. Lieber abgehängt sein als ein App-Junkie wie alle anderen, die längst zu Wischmoppen mutiert sind. «Ich werde nie ein Smartphone haben», war das Fazit meiner Verbeugung vor meinem Vorzeigedummerchen. Liest sich rückblickend wie der fromme Wunsch eines Ungläubigen.

Aber eben: Auch ich fingere ganz neuerdings auf einem Smartphone herum. Der Anlass für diesen «Change» ist zugleich nichtig und wichtig: Ich könnte sonst nie wieder von zuhause aus arbeiten. «Microsoft-Authenticator-App ersetzt SMS-Login», hiess es in der Fachsprache des IT-Lands – im Befehlston. Zuhause «ins System kommen», wie wir Normalbegabten sagen – das ist dann schon systemrelevant, auch wenn ich nur im äussersten Notfall Homeoffice mache. (Kranke Kids, malades Me.) Wem jetzt so etwas wie: «Arbeiten – bei SRF?» auf der Zunge liegt: immer nur her damit. Humor muss alles dürfen. Meistens, jedenfalls.

Fester Vorsatz: Mein neues, ein gebrauchtes Smartphone einfach so ‹usen›, als könnte es so wenig wie mein Ex-Dummerchen, dieser im Grunde grossartige kleine Nokia-Nichtsnutz.

Tatsächlich war mein, nennen wir es Nokia, mit dem ich – das ist hier der Witz – gerade nicht verwachsen war, ein Teil von mir, wenn nicht sogar meine Identität. Ich bin «der mit ohne Smartphone»! Der letzte freie Mensch hienieden! Mein Dasein wurde zuletzt allerdings merklich mühseliger – im Alltag, im Ausland.

Ich bin ja immer noch überrascht, dass ich nicht bis heute in London festsitze, weil ich diesen Sommer erst kurz vor Abfahrt des «Eurostar» bemerkte, dass man auch einen reservierten Zug nicht einfach «boarden» kann wie einen Bummler von Bünzen nach Boswil. Und mein letztes Telefönchen nervte: Kein Empfang in der eigenen Wohnung, die Tasten kaum zu treffen, der Akku nach zwei länglichen SMS so leer wie einst Giovanni Trappatonis sprichwörtlich gewordene Flasche.

Fester Vorsatz für mein Leben 2.0, das vor der Bürotür steht: Mein neues, ein gebrauchtes Smartphone einfach so «usen», als könnte es so wenig wie mein Ex-Deppen-Dings, dieser im Grunde grossartige kleine Nokia-Nichtsnutz. «Nur die SBB-App installieren», lautete der Ratschlag eines Kollegen. Meine Kinder plädierten für «wenigstens Google Maps». (Vater: «Aber wir reisen doch nicht, um anzukommen?») «Und endlich WhatsApp!» Ich frage mich: Will ich wissen, wie sie im Familienchat über mich witzeln?

Vor ein paar Tagen kam ich mit einem Mann aus meinem alten Schrott und Zorn ins Gespräch. Er hatte – ich übertreibe nur leicht – Tränen der Rührung in den Augen, als er mein Dumbphone sah. «Da will ich wieder hin», sagte der Engländer, den es über Umwege in die Schweiz verschlagen hat.

Wir haben Nummern getauscht.

SRF 1, Puls, 25.8.2025, 21:05 Uhr

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