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Vom Rebell zum Unternehmer Dieci-Gründer Rocco Delli Colli: «Ich bin mein grösster Gegner»

Er bezeichnet sich als «introvertierter Rebell», flieht vor dem Militärdienst in die Schweiz und eröffnet 1990 in Rapperswil ein 30-Quadratmeter-Lokal. Heute steht Rocco Delli Colli an der Spitze der grössten Pizzakette und eines weit verzweigten Lieferdienstes – und ringt trotzdem mit sich selbst.

Wäre Rocco Delli Colli in den USA, gäbe es über sein Leben wohl längst eine Netflix-Dokumentation. Die Geschichte beginnt damit, dass ein junger Mann mit 18 in die Schweiz kommt und die Sehnsucht nach einer «anständigen Pizza» nicht mehr aushält. 1990 eröffnet er in Rapperswil seine erste Pizzeria: «Dieci».

Mit einem kleinen Team aus einem Florentiner, einem Pizzaiolo aus Zürich und einem Neapolitaner entsteht eine Atmosphäre, die für ihn «ein wahnsinnig authentisches Italien» ins Lokal bringt. Die Idee des Lieferdienstes entsteht aus Platzmangel: Gäste wollen ihre Pizza mitnehmen. «Dann muss ich einen Kurierdienst machen», sagt Delli Colli. Er kauft einen Fiat Panda und liefert aus. Heute ist Dieci «die grösste Pizzeriakette und Lieferdienst von der Schweiz», mit über 750 Pandas und 55 Filialen.

Jeder an der Front hat viel leisten müssen für ganz wenig Geld.
Autor: Rocco Delli Colli Gründer Dieci Pizza

Der Start ist finanziell heikel. Am Eröffnungstag hat er rund 200’000 Franken Schulden. Eigenkapital bringt er durch den Verkauf seiner Videothek und seiner Swatch-Sammlung auf. Lieferanten gewähren ihm lange Zahlungsfristen – «60, 90, 120 oder 200 Tage». Die ersten zehn Jahre seien «sehr schwierig» gewesen: «Jeder an der Front hat viel leisten müssen für ganz wenig Geld.» Erfolg sei ein «Millimeter-Geschäft», bei dem jede Schnittstelle stimmen müsse.

Geboren wird Delli Colli 1961 im italienischen Alvito. Er wächst mit seiner Mutter auf. Respekt, Verzeihen und Disziplin prägen die Familie. Kulinarisch bleiben «baumreife Früchte» wie Feigen oder Trauben haften – Geschmäcker, die er bis heute sucht. Als Jugendlicher fühlt er sich oft quer zum System. Eine Lehrerin schlägt ihn mit dem Lineal, er verweigert daraufhin den Schulbesuch und verbringt die Morgen auf einem Baum, bis die Familie in ein anderes Dorf zieht.

Vom Militärdienst zur neuen Heimat

Mit 17 soll er 18 Monate Militärdienst leisten – ein Eingriff in seine Freiheit. Freunde verletzen sich, um nicht einrücken zu müssen. Ihn zieht es in die Schweiz, wo sein Vater jahrelang arbeitet. Die Schweiz erlebt er zunächst «wie ein Märchen». Die Sprache lernt er im Alltag und abends nährt er sein Wissen mit Büchern von Steinbeck, Freud oder Eco. Sein Vater wird zum Vorbild: ein bescheidener Mensch, der Müll vom Boden aufhebt, ohne zu schimpfen.

Mein grösstes Glück ist, dass ich nicht so geldorientiert bin
Autor: Rocco Delli Colli Inhaber Dieci Pizza

Auch finanzieller Erfolg verändert seinen Antrieb nicht. «Mein grösstes Glück ist, dass ich nicht so geldorientiert bin», sagt er. Wichtiger sei das «Adrenalin», ob im Geschäft oder als Präsident des FC Rapperswil-Jona. Seit rund 20 Jahren engagiert er sich dort und betont die soziale Bedeutung des Fussballs: Kinder verschiedener Herkunft, die auf dem Platz ihren Alltag vergessen.

2025 steigt Xherdan Shaqiri als Minderheitsaktionär beim FC Rapperswil-Jona ein. Für Delli Colli verbinden sie ähnliche Werte und Geschichten. Den Schweizer Pass bezeichnet er als etwas, worauf er «megastolz» ist – ohne seine italienischen Wurzeln zu verlieren.

Trotz allem sucht er weiter. «Der grösste Kampf ist mit mir selber», sagt er. Er wünscht sich mehr Ruhe in sich und hält an einem Motto von Marc Aurel fest: jeden Moment leben, als wäre er der letzte. Und ein Teil Kind müsse im Menschen bleiben, «das Schönste, was passieren kann».

Radio SRF 3, Focus, 1.12.2025, 20:00 Uhr

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