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Warnung des Weltkirchenrats Gewalt gegen Christen in Israel nimmt zu – das sind die Gründe

2023 kam es allein in Jerusalem zu 90 Übergriffen gegen Christinnen und Christen – von verwüsteten Kirchen, dem Bespucken von Mönchen bis hin zu Brandanschlägen. Was das mit der aktuellen israelischen Regierung zu tun hat.

Was ist passiert? Die Fälle von antichristlicher Gewalt in Israel häufen sich massiv. Allein in Jerusalem gab es laut dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) dieses Jahr 90 Übergriffe. Der ÖRK ruft deshalb in einem offiziellen Statement die israelische Regierung auf, christliche Menschen und Einrichtungen besser zu schützen. Diese Übergriffe reichen von verwüsteten Kirchen, Schmierereien wie «Tod den Christen» und «Christen zur Hölle», dem Bespucken von Mönchen, bis hin zu Friedhofsschändungen und Brandanschlägen. In den Jahren 2015 und 2016 wurde das Benediktinerkloster in Tabgha von extremistischen jüdischen Jugendlichen angegriffen. Über eine Million Euro Sachschaden und zwei Verletzte waren die Folge.

Mönch steht in ausgebrannter Ruine
Legende: Ein christlicher Geistlicher betrachtet im Sommer 2015 den Schaden, den ein Feuer im Kloster in Tabgha an den Ufern des See Genezareth angerichtet hat. EPA/ATEF SAFADI

Gibt es israelweite Zahlen für antichristliche Gewalttaten? Nein, denn vieles wird nicht angezeigt oder von der Polizei nicht als antichristliches Gewaltverbrechen eingestuft. Die Kirchen vor Ort kritisieren das seit Jahren. Polizei und Rechtsstaat reagierten zu zögerlich und hätten diese Gewaltexzesse allzu lang verharmlost, sagte der Jerusalemer Abt Nikodemus Schnabel bereits 2016 gegenüber SRF.

Die Gewalt gegen Christinnen und Christen richtet sich gegen viele verschiedene Gruppierungen. Dazu zählen Mönche und Nonnen, christliche Staatsbürger Israels, christliche Palästinenserinnen in den Gebieten und christliche Saisoniers, Arbeitsmigrantinnen sowie Touristinnen und Touristen.

Woher kommt die Gewalt? Sie wurzelt in der extremistischen jüdischen Siedlerjugend in den Palästinensergebieten. Bekannt ist die militante Siedlerjugend «Noar Hagvaot» (Hügeljugend): Sie übt seit 2010 antiarabische und gezielt antichristliche Terrorakte aus. Dafür wurde sie teils auch zur Rechenschaft gezogen. Ihre Hassverbrechen sorgten für grosse Empörung in der israelischen Zivilgesellschaft.

Mittlerweile bespucken aber auch in Jerusalem ultraorthodoxe Jugendliche Mönche auf den Gassen der Altstadt. Das mag mit dem Einsitz Rechtsradikaler in der Knesset, dem Parlament, zu tun haben. Vor allem der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir steht offen dafür ein, alle Nicht-Juden aus dem Land zu vertreiben. Die Häufung der Gewalt gegen Christinnen und Christen ist also auch ein Phänomen der Demokratiekrise in Israel.

Holz-Jesus-Statue mit beschädigtem Gesicht
Legende: Zunehmender Vandalismus: Diese Jesus-Statue wurde Anfang 2023 in der Jerusalemer Geisselungskapelle von einem jüdischen US-Touristen gezielt beschädigt. REUTERS/Ammar Awad

Wie wird international darauf reagiert? Mit Scham und Protest. Die europäische Rabbinerkonferenz verurteilte die neueste Gewaltwelle aufs Schärfste. Zuletzt erlebte Deutschland eine peinliche Situation, als die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf Israelreise hautnah mitbekam, wie Abt Nikodemus an der Klagemauer von Sicherheitsleuten aufgefordert wurde, sein Kreuz zu verstecken, um orthodoxe Betende nicht zu provozieren. Der ÖRK reagierte auf die aktuellen Vorfälle mit einem neuerlichen Appell an Israels Regierung.

Was bedeutet das für den christlichen Israeltourismus? Solche Schlagzeilen sind Gift für den eben erst wiederbelebten Tourismus. Man rechnete 2023 mit einer Million christlicher Pilgerinnen und Pilger. Das israelische Tourismusministerium spricht diese mit eigenen Kampagnen an, Taufe im Jordan inklusive. Es geht um viele Millionen Devisen, die mit den christlichen Gästen ins Land kommen sollen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.08.2023, 17.20

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