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Nach Besuch am Tempelberg Muslimische Welt reagiert heftig auf Provokation von Ben-Gvir

Der Tempelbergbesuch von Israels Sicherheitsminister weckt böse Erinnerungen an eine blutige Eskalation.

Der gestrige Besuch des ultra-rechten politischen Brandstifters und neuen israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir auf dem Tempelberg ist am Mittwoch das grosse Thema in den Medien und sozialen Medien des Nahen Ostens. Es hagelt Protestnoten aus den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga.

So aus Ägypten, das immer mal wieder zwischen Israel und militanten palästinensischen Gruppierungen vermittelt. Auch Saudi-Arabien verurteilt den Besuch Gvirs auf dem Tempelberg als gefährliche Provokation, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate, mit denen Israel ein Normalisierungsabkommen abgeschlossen hat.

Besuche israelischer Regierungsmitglieder an den Heiligen Stätten dreier Religionen sind in der ganzen Region mit schlimmen Erinnerungen verbunden. So begann im Jahr 2000 der blutige Palästinenser-Aufstand, nachdem der damalige Oppositionsführer und spätere Premier Ariel Sharon den Tempelberg besucht hatte. In den folgenden fünf Jahren wurden über 4000 Menschen auf beiden Seiten getötet.

Jordaniens Rolle in Jerusalem

Jordaniens Regierung zitierte gestern den israelischen Botschafter und drückte diesem einen Protestbrief für seine Regierung in die Hand. Das Haschemitische Königreich Jordanien ist zuständig für die heiligen muslimischen und christlichen Stätten in Jerusalem und damit für den Schutz des fragilen religiösen Friedens in der Heiligen Stadt.

Besonders heikel ist der Tempelberg: Dort haben Muslime zwei Moscheen errichtet, den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee. Diese ist nach Mekka und Medina die drittheiligste Moschee des Islam. Der Tempelberg ist jedoch auch der Ort, an dem der zweite jüdische Tempel stand, bevor dieser vor rund 2000 Jahren von den Römern zerstört wurde.

Bet-Verbot für Nicht-Muslime

Jerusalem war bis zum Sechstagekrieg 1967 unter jordanischer Kontrolle. Die Israelis eroberten in diesem Krieg Ostjerusalem – und damit auch den Tempelberg. Für sie war es eine Rückeroberung eines Landes, das von Gottes wegen ihnen gehört.

Danach gab es eine Vereinbarung, wonach Nicht-Muslime den Tempelberg besuchen, aber dort nicht beten dürfen. Denn für die Muslime ist das ganze Tempelberg-Areal an sich eine Moschee und nicht nur die Moscheen selbst.

Innerjüdisch ist diese Frage allerdings umstritten: Juden wie Ben-Gvir wollen dort beten und reklamieren ein Recht dafür. Andere Juden verweisen auf die Thora, die es heute nicht mehr erlaube, auf dem Tempelberg zu beten.

Klare Agenda von Brandstifter Gvir

Ben-Gvir hat sich bei seinem Besuch zwar an die Regeln gehalten und am Tempelberg nicht gebetet. Ungeachtet dessen will er den religiösen Status quo ändern, damit Juden an der Stätte beten dürfen. Gvir machte in den letzten Jahren viele provokative Besuche.

Ben Gvir.
Legende: Israels neuer Sicherheitsminister Ben-Gvir am 3. Januar an der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem. Keystone/AP/Atef Safadi

Gvir hetzt auch offen gegen Araber und Muslime. Solche Provokationen haben 2021 unter anderem sogar zu einem erneuten Gaza-Krieg geführt.

Weitere Spannungen absehbar

Palästinensischen Extremisten spielen solche Provokationen natürlich in die Hände: Nichts führt im Nahen Osten schneller zum Krieg und zur Ablenkung von den wahren Problemen in der Region als das Bespielen von religiösen Gefühlen.

Weitere Spannungen sind unter der neuen israelischen Regierung von Premier Benjamin Netanjahu zu erwarten. Das hier war nur der Anfang. Es gab noch nie eine extremere israelische Regierung. Und «Frieden» haben die Extremisten in dieser Regierung nicht in ihren Wortschatz.

SRF 4 News, 04.01.2023, 06:20 Uhr

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