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Wie LGBTIAQ+-freundlich sind die Künste?
Aus Kontext vom 06.04.2021. Bild: IMAGO / ZUMA Wire
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Neues Regenbogenhaus Zürichs neuer Ort für die queere Community

Im Mai öffnet in Zürich das Regenbogenhaus. Hier zeigt sich, welche Fragen die LGBTIQ+-Gemeinschaft beschäftigen.

Die Geschäftsstelle der «HAZ – Queer Zürich» steckt mitten im Umzug. HAZ, das sind die «Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich». Sie sind eine der grössten LGBTIQ+-Organisationen der Schweiz. Gegründet 1972, werden sie nächstes Jahr 50. Auch sie ziehen ins Regenbogenhaus.

Augenblicklich seien sie noch «gut versteckt im dritten Stock am Sihlquai», sagt Hannes Rudolph, Leiter der Geschäftsstelle und Berater für trans Personen. Als die Geschäftsstelle 1983 angemietet wurde, sei Diskretion ein Thema gewesen.

drei Menschen tragen Mundschutzmasken in Regenbogenfarben
Legende: Der Regenbogen ist Programm, ob auf der Maske von Raffael Berchtold, Constance Hoppmann und Hannes Rudolph oder als Namensgeber des neuen Zentrums. SRF / Oscar Alessio

«Nun geht es ums pure Gegenteil, um Sichtbarkeit», sagt Rudolph. Das Regenbogenhaus ist ebenerdig mit einer Glasfront, unweit des Zürcher Hauptbahnhofs.

Queere Menschen sollen sichtbarer sein

Sichtbarkeit sei aber keine rein optische Frage. Es gehe darum, queeren Menschen eine gesellschaftliche Repräsentanz zu geben. Insofern sei das Regenbogenhaus auch ein Statement der Stadt Zürich.

Die Beratung war von Beginn an, damals als anonymes Telefon, ein wichtiger Teil der HAZ. Neben Hannes Rudolph ist Constance Hoppmann in der Lesbenberatung tätig, Raffael Berchtold in der Schwulenberatung.

«Mit dem Regenbogenhaus wurde ein zentraler niederschwelliger Platz geschaffen, wo viele Organisationen ihre Mitgliederversammlungen und andere Events machen – ein place to be, wohin man Leute einlädt und sagt: ‹Das sind wir›», sagt Rudolph.

drei Menschen stehen vor einem grossen Bücherregal
Legende: Das Regenbogenhaus soll Treffpunkt und Anlaufstelle für die LGBTIQ+-Gemeinschaft werden. SRF / Oscar Alessio

Eine grosse Bibliothek wird Lesestoff zu schwulen, lesbischen, bi- und trans Themen führen. «Schwule Chöre werden Versammlungen abhalten, es wird ein Yoga-Angebot und Workshops geben sowie Gesprächsgruppen zu Themen wie Polyamorie oder Trans. Die meisten Angebote richten sich an alle.»

Beratung von trans Personen

Trans Themen hätten aktuell grössere Aufmerksamkeit als früher, sagt Rudolph: «Zwei Fragestellungen machen die Hälfte aller Anfragen aus. Das ist zum einen die Situation: ‹Ich habe rausgefunden, dass ich trans bin. Wie bekomme ich Zugang zu medizinischer Versorgung, zu einer Hormontherapie oder Operationen?› Die zweite Frage ist: ‹Ich beschäftige mich in letzter Zeit mit meiner Geschlechtsidentität. Wer bin ich und wie kann ich das rausfinden?›».

ein Mann schaut in die Kamera und öffnet eine Tür
Legende: Hannes Rudolph ist überzeugt: Ein Zentrum wie das Regenbogenhaus signalisiert, dass alle Menschen zur Gesellschaft gehören. SRF / Oscar Alessio

Trans-sein bringe viele praktische Fragen mit sich, etwa: «Ich bin in der Matur-Stufe. Wir machen eine Klassenreise. Darf ich als trans Mann ins Zimmer der Jungs? Oder wie löse ich die Umkleidesituation im Hallenbad?».

Es gebe auch Anfragen von Fachpersonen: «Wie kann ich ein trans Kind beim Coming-out in der Schule begleiten oder einen trans Mitarbeitenden in der Firma?», erklärt Rudolph. Das hat sich in den letzten zehn Jahren verändert. «Wir merken das am Coming-out von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern neuerdings schon damit gerechnet haben.»

Gläubig und schwul?

Bei den meisten Anfragen, die Raffael Berchtold erreichen, geht es um das Thema Coming-out. Ausserdem: «Vermehrt kommen Anfragen von jungen Menschen, die in Freikirchen gross geworden sind.»

Sie stossen bei ihren Eltern auf viel Widerstand, sodass den Betroffenen schon Therapien angeboten oder bei ihnen durchgeführt wurden, etwa die Konversionstherapie. Diese Therapien wurden als sehr belastend erlebt.

ein Mann mit Brille posiert für die Kamera
Legende: Raffael Berchtold berät vermehrt auch Männer mit christlichem Hintergrund, die zum Beispiel aus einer Freikirche austraten. SRF / OSCAR ALESSIO

«2016/17 hatten wir sehr viele Fragen von Asylsuchenden aus Ländern, in denen Homosexualität verboten ist. Dies hat aber wieder abgenommen.» Beziehungsprobleme seien ein Thema «und in Zeiten von Corona, ist es Einsamkeit». Komplexe rechtliche Anfragen verweist er weiter an die Rechtsberatung des Pink Cross.

Coming-out in jedem Lebensabschnitt

Bei Constance Hoppmann von der Lesbenberatung treffen nach wie vor viele Anfragen zum Coming-out ein. Geändert habe sich jedoch, dass ein grosser Teil der Frauen zwischen 25 und 40 seien, die gerade eine Trennung vom Partner erlebt und plötzlich Raum für Identitätsentwicklung haben und bemerken, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlen. «Das kann auch noch passieren, wenn die Kinder schon aus dem Haus sind.»

Eine Frau posiert draussen für die Kamera
Legende: Auch heterosexuelle Menschen seien herzlich willkommen im Regenbogenhaus, so Constance Hoppmann. SRF / Oscar Alessio

Auch Hoppmann verweist rechtliche Anfragen an Pink Cross, «wenn es etwa um eingetragene Partnerschaften oder Adoption geht: Wir sind keine juristische Fachberatung, sondern Peer-Beratung.» Das heisst: Menschen, die sich in gleichen Lebenssituationen befinden, helfen einander.

«Ein Ort, wo man sich selbst sein kann»

Das Regenbogenhaus sei für queere Personen wichtig, um gerade jungen Menschen die Gewissheit zu geben, dass sie nicht allein sind, und dass sie nicht umerzogen werden müssen. Das Regenbogenhaus solle ein Ort sein, «wo man sich selbst sein kann», sagt Berchtold.

Queere Menschen seien zwar viele, aber doch die Minderheit. Queere Themen bräuchten den Einsatz aller, sagt Constance Hoppmann. Im Regenbogenhaus sind deshalb alle willkommen, die sich für queere Themen interessieren oder engagieren.

cis, trans, queer: Das bedeuten die Begriffe

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Legende: SRF (Bildschirmaufnahme)
  • Angehörige einer geschlechtlichen Minderheit: Personen, die einer geschlechtlichen Minderheit angehören wie zum Beispiel trans oder intergeschlechtliche Personen.
  • Angehörige einer sexuellen Minderheit: Personen, deren sexuelle Orientierung einer Minderheit entspricht, wie zum Beispiel schwule, lesbische, bisexuelle oder pansexuelle Personen.
  • Asexuell: Der Begriff beschreibt Menschen, die keine sexuelle Anziehung erleben.
  • Bisexuell: Begriff für Menschen, die sich von mehr als einem Geschlecht (biologisch oder gesellschaftlich) angezogen fühlen. Abzugrenzen vom Begriff «pansexuell», der die Anziehung unabhängig vom Geschlecht miteinbezieht.
  • cis-heterosexuell: Wird verwendet, um Personen zu bezeichnen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt (d.h. Personen, die keine Angehörige einer geschlechtlichen Minderheit sind) und die sich zu Angehörigen eines anderen Geschlechts hingezogen fühlen.
  • LGBTIQ+: Eine Abkürzung, die sich auf alle Personen bezieht, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, intergeschlechtlich, queer, oder Angehörige einer anderen sexuellen oder geschlechtlichen Minderheit identifizieren.
  • Non-binär: Ein Überbegriff, um Geschlechtsidentitäten zu beschreiben, bei denen Personen sich nicht ausschliesslich als Mann oder Frau identifizieren. Dieser Überbegriff schliesst viele Kategorien ein, zum Beispiel Personen, die sich als agender, genderqueer und gender fluid identifizieren.
  • Pansexuell: Anziehung zu Personen unabhängig vom Geschlecht/Geschlechtsidentität der Person.
  • Queer: Ein Begriff, der meist von Personen benutzt wird, welche sich als nicht cis-heterosexuell identifizieren.
  • Trans: Ein Begriff der Personen beschreibt, die eine Geschlechtsidentität haben, die anders ist als die ihnen bei der Geburt zugewiesene. Non-binäre Menschen können sich als trans Personen identifizieren oder nicht.

Begriffserklärungen dem Bericht des LGBTIQ+ Panel 2020 entnommen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 11.04.2021, 08:30 Uhr

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