Albumtipp
Punk aus Bristol: Die wohl wichtigste Rockband des aktuellen Jahrzehnts ist zurück und feuert Liebeslieder aus dem Kanonenrohr. Auf «Tangk» der Bristoler Punks Idles dominiert die Liebe, Freude und Dankbarkeit für die blosse Existenz. Trotz 40 Minuten Lovesongs sind Idles weder gesellschaftlich noch musikalisch weicher geworden. Was sie noch immer antreibt: der Hass auf die britische Monarchie und die konservative Regierung sowie das Wissen, dass Liebe die grösste aller Mächte ist. (Lea Inderbitzin)
Bühnentipp
Ein Abend der Selbstermächtigung: «Blutbuch» von Kim de l’Horizon ist wild, queer, sprachmächtig – und so erfolgreich als Buch wie auf der Bühne. Nun folgt im Schauspielhaus Zürich das «Blutstück»: Kim de l’Horizon ist als Kim de l’Horizon selbst mit von der Partie. Was prägt uns? Erben wir von den «Meeren» und «Grossmeeren», wie die Mütter hier heissen, nichts als «Scheisse in den Venen»? Wie können wir uns davon befreien – vielleicht im gemeinschaftlichen Theaterspiel? Ein Abend der Selbstermächtigung, auf der Bühne und im Verbund mit dem Saal. (Andreas Klaeui)
Literaturtipp
Ein Buch übers Kranksein: Was bedeutet es, chronisch krank zu sein – in einer Welt, in der alle immer zu funktionieren haben? Um diese Frage dreht sich der neue Roman der deutschen Autorin Paula Fürstenberg. Er handelt von einem jungen Mann, der an einer Depression erkrankt, und dessen Freundin, die regelmässig an Schwindelanfällen leidet. Parallel zur Handlung flicht Fürstenberg allgemeine Überlegungen ein – übers Kranksein und unseren gesellschaftlichen Umgang damit. «Weltalltage» ist eine Mischung aus Roman und Essay. Denkanstösse garantiert! (Katja Schönherr)
Konzerttipp
Wohltuende Klänge: Die syrisch-französische Flötistin und Komponistin Naïssam Jalal spielt Musik, die dem Körper und dem Geist gut tut. Während eines längeren Spitalaufenthalts vor einigen Jahren besuchte sie ein befreundeter Musiker und spielte für sie live am Krankenbett. Nach dieser Erfahrung am eigenen Leib und der Auseinandersetzung der heilenden Wirkung verschiedener Musikkulturen nahm Naïssam Jalal das Album «Healing Rituals» auf. Die Musik schwebt zwischen Trance, Jazz und Global Musik. (Luca Koch)
Filmtipp
Melancholische Charakterstudie: «May December» steht für eine Beziehung mit hohem Altersunterschied. Illegal war der Abstand im Fall von Gracie (Julianne Moore): Ihr Lover war minderjährig, und sie hat dafür mit Haft bezahlt. Weil die Klatschpresse ihre Geschichte damals aufsog, wird ihr Leben nun verfilmt, und Schauspielerin Elizabeth (Natalie Portman) besucht die Frau, die sie spielen soll. Todd Haynes («Carol») zaubert aus dem Stoff eine melancholisch-abgründige Charakterstudie über das Hineinversetzen und das Hineinversetztwerden. (Georges Wyrsch)