Raves der Neuen Kulturkapelle, das Blaue vom Himmel und Euphorie mit Nick Cave: Die Kulturtipps der Woche.
Albumtipp
Fertig mit Trauermusik: Nachdem Nick Cave auf seinen letzten beiden Alben den Tod seines 15-jährigen Sohnes mit Trauermärschen verarbeitete, zeigt er sich auf seinem neuen Album verspielt und euphorisch. «Wild God» ist ein mitreissender Musikgottesdienst – und auch die Texte passen sich an. Auf dem 18. «Bad Seeds»-Album stellt Cave grosse Themen und Emotionen in den Mittelpunkt: Liebe, Freude, Vergebung, Gott. (Luca Bruno)
Bühnentipp
Berühmt und rätselhaft: Ein leerer Raum, ein abgegrenztes Geviert, ein roter Teppich: Das reicht, um eine Geschichte zu erzählen. Peter Brook war einer der einflussreichsten Theatermacher unserer Zeit. 2022, kurz vor seinem Tod, kam sein letztes Stück «Tempest Project» heraus, nach Shakespeares «Sturm». In Aarau und Chur kann man Brooks Theaterwelt erleben. In ihrer abgeklärten Unmittelbarkeit und mit einer Erzählung, die von Versöhnung, Überwindung der Rache und Harmonie handelt. (Andreas Klaeui)
Literaturtipp
Guten Abend, wie geht's? Eine Frau chattet nachts mit Liebesbetrügern. Was nach einer bekannten Geschichte klingt, ist bei der deutschen Autorin, Musikerin und Tänzerin Martina Hefter anders. Nur schon, weil die Frau Juno heisst und ihr Mann Jupiter. Das führt ins Weltall und zu mächtigen Göttern und in Fantasiewelten, die Juno dringend brauchen kann. Jupiter leidet an Multipler Sklerose. Juno muss allein einen prekären Alltag meistern. Schlaflosigkeit und Zukunftsangst lassen sie auf Love Scams eingehen. Sie dreht den Spiess um. Sie lügt den Männern, die an ihr Geld wollen, das Blaue vom Himmel. Es entsteht ein berührendes Spiel um Identität und Lebenschancen. (Franziska Hirsbrunner)
Filmtipp
Familiendrama: Lima, 1992. Eine Mutter und ihre zwei Töchter wollen raus aus Peru, weil politisches Ungemach droht. Da taucht einer auf, der lange weg war: Carlos, der Ex-Mann und Vater. Planlos, pleite, aber liebenswert. Ein letztes Mal vor seiner Abreise versucht er bei den Mädchen, die er seine «Reinas» (Königinnen) nennt, zu punkten: Schadet seine Präsenz nun der Familie, oder hilft sie ihr? Die schweizerisch-peruanische Filmemacherin Klaudia Reynicke gewann mit ihrem zartbitteren Spielfilm im August den Publikumspreis in Locarno. (Georges Wyrsch)
Ausstellungstipp
Schnappschüsse mit Tiefe: Der Japaner Daido Moriyama gilt als Pionier der Strassenfotografie. Mit seinen vermeintlich beiläufigen «Schnappschüssen» hat der 85-Jährige einen unverwechselbaren Stil entwickelt. Mit alltäglichen Motiven und Bildserien erzählt Moriyama mysteriöse, hintersinnige Geschichten. Er hinterfragt das Medium Fotografie, unseren Umgang mit Bildern, sogar sich selbst als Fotograf. Das ist verführerisch und in gutem Sinne verstörend. Die Retrospektive in Lausanne zeigt das Werk Daido Moriyamas in ganzer Fülle. (Remo Vitelli)
Konzerttipp
Schönheit in Wiederholung: Es war einmal ein Kurorchester in Baden, das die Bäderkuren mit Unterhaltungsmusik ergänzte. Die Neue Kurkapelle Baden greift diese Tradition auf und führt sie, mit innovativen Konzerten in lockerem Rahmen, ins Heute. Ihr aktuelles Programm ist eine Uraufführung des US-amerikanischen Minimal Music-Pionier Terry Riley und seines Sohnes Gyan Riley. «Cascade» kommt als Audio-Video-Performance mit sieben Instrumenten und Elektronik daher und verspricht ein feiner Rave für die Ohren zu werden. Abtauchen in diese Musik ist eine Form von Kur. (Theresa Beyer)