Am Kunstmuseum Bern soll ab dem 23. Februar die Ausstellung «Shooting Down Babylon» der südafrikanischen Künstlerin Tracey Rose zu sehen sein. Nun kündigt das Kunstmuseum an, diese Ausstellung mit einer Debatte begleiten zu wollen, berichtete der Bund .
Der Hintergrund: Die Künstlerin Tracey Rose hatte einen offenen Brief unterzeichnet, der Israel als Kolonialmacht und Apartheidstaat bezeichnet und Sanktionen fordert. Dieser wurde im Mai 2021 im Kunstmagazin eflux publiziert.
«Künstlerin vertritt radikale Positionen»
In diesem offenen Brief würden einseitige und extreme Positionen bezogen, sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG: «Dieser Apartheid-Begriff wird als Kampfbegriff verwendet. Die Unterstützung durch die Künstlerin macht ganz klar, dass sie offenbar radikale und keine konstruktiven Positionen vertritt.» Der Vergleich von Israel mit einem Apartheidstaat sei ahistorisch und aus dem Kontext gerissen, so Kreutner weiter.
In seiner Argumentation fällt aber auf: Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund benutzt den Begriff «antisemitisch» hier nicht. Auf Nachfrage weist er auf die komplexen Debatten dazu in der Forschung hin.
Eine Reihe hitziger Debatten
Der aktuelle Fall in Bern schliesst an eine ganze Reihe von Eskalationen an. Die Polarisierung in der Kulturszene durch den Gazakrieg ist akut. Dürfen Musiker oder Künstlerinnen, die gegen Israel Position beziehen, weiterhin auftreten? Die Debatte verläuft hitzig. Es gibt Antisemitismus-Vorwürfe auf der einen Seite, Zensur-Vorwürfe auf der anderen.
Auch in Bern stellen sich Fragen: Vertritt dieser Brief gegen Apartheid antisemitische Positionen? Und wie verhalten sich Tracey Roses Kunstwerke zu diesem Brief?
Kunstmuseum sucht konstruktive Debatte
Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern: «Nach unserer Einschätzung wird die Rassismus-Strafnorm der Schweiz nicht verletzt, deshalb war die Absage der Ausstellung bisher kein Thema für uns.» Das Museum wolle aber nicht einfach weitermachen wie geplant. Man setzt in Bern auf Kontextualisierung und Debatte.
Direktorin Nina Zimmer plant eine Paneldiskussion mit unterschiedlichen Positionen: «Wir möchten als öffentliches Museum gern eine Plattform bieten für eine nuancierte Auseinandersetzung – und das zu einer Debatte, die in der Kunstwelt derzeit intensiv geführt wird. Aber nicht überhitzt, sondern wir möchten verbinden und konstruktiv aufeinander zugehen.»
In Bern will man also das Gespräch suchen, anstatt auszuladen oder abzusagen. Es sei wichtig, in einer polarisierten Gesellschaft Gespräche zu führen, schnelle Reaktionen gab es genug.
Erster Schritt zur Verständigung
Dieser Meinung ist auch der der SIG. Generalsekretär Jonathan Kreutner: «Einfach nur zu zensieren, würde in diesem Sinn nicht viel bringen, weil man die Debatte starten muss: Darüber, wie sich Antisemitismus und Israel-Feindschaft in der Kunstszene manifestiert und welche Aufrufe im Raum sind. Man sollte sich mehrfach überlegen, was man unterschreibt und wie das dann wirkt.»
Der SIG hat die Teilnahme an der geplanten Debatte im Kunstmuseum Bern bereits zugesagt. Was sie bringen wird, ist noch offen. Aber sie ist ein erster Schritt zur Verständigung in einer stark polarisierten Kulturszene.