Was ist passiert? Für 30 Millionen wurde das Gemälde «Bildnis Fräulein Lieser» von Gustav Klimt im Wiener Auktionshaus im Kinsky versteigert – ohne grosses Bietergefecht. Das Werk ging nach nicht mal zwei Minuten nach dem Aufruf an eine Bieterin im Saal, die nach Angaben des Auktionshauses für einen Auftraggeber aus Hongkong das Werk ersteigerte. Somit ist es das teuerste je in Österreich versteigerte Kunstwerk. Das Gemälde ist nicht nur eines der letzten des österreichischen Malers, es hat auch eine turbulente Geschichte: Fast 100 Jahre lang galt es als verschollen. So sorgte das Gemälde bereits im Vorfeld der Auktion für Schlagzeilen in den Feuilletons.
Wer ist die Frau auf dem Gemälde? Dazu gibt es unterschiedliche Theorien. Die österreichische Zeitung «Der Standard» publizierte eine gross angelegte Recherche . Die Redaktion fand heraus, dass die Mäzenin Henriette Amalie «Lilly» Lieser das Gemälde Anfang des 20. Jahrhunderts in Auftrag gab. Die Liesers waren eine vermögende Industriellenfamilie, die wegen ihrer jüdischen Abstammung in der NS-Zeit verfolgt wurde. Es wird vermutet, dass das «Fräulein Lieser» eine der beiden Teenager-Töchter von Lilly Lieser zeigt: entweder Helene, die eine angesehene Ökonomin wurde, oder Annie, eine gefeierte Tänzerin.
In Gustav Klimts Notizen gibt es nur spärliche Hinweise zur Identität der Dargestellten. Klar ist: Als der Maler im Februar 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war das Werk noch nicht ganz fertig – deshalb ist es nicht signiert.
Ist die Herkunft des Bildes geklärt? Die Frage nach den rechtmässigen Eigentümern des Gemäldes ist relativ verzwickt. Da Lilly Lieser 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde, steht die Frage im Raum, ob es sich bei dem Bild um Raubkunst handelt. Gemäss Auktionshaus liegen keine Beweise vor, dass das Gemälde damals beschlagnahmt wurde – es gibt aber auch keine Hinweise, dass es nicht geraubt wurde. Verschiedene Medien hatten in den Tagen vor der Auktion Fragen zur genauen Herkunft gestellt. Deshalb seien vier Interessenten kurzfristig abgesprungen, sagte Kinsky-Geschäftsführer Ernst Ploil im Sender «Puls 24».
Wie gelangte das Werk in die Auktion? Jahrzehntelang galt das Werk als verschollen. Vergangenen Herbst wurde es wieder entdeckt. Die jetzigen Eigentümer – die anonym bleiben – hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt. Zwischen diesen Eigentümern und den Nachfahren der Familie Lieser gibt es eine Vereinbarung, wonach die Ansprüche der Familie aus dem Erlös der Auktion abgegolten werden.
Wie reiht sich der Verkauf in andere Kunst-Auktionen ein? In der Kunstwelt gibt immer wieder Versteigerungen zu sehr hohen Preis. Das teuerste je versteigerte Gemälde ist Leonardo Da Vincis «Salvator Mundi», das für mehr als 450 Millionen US-Dollar an Mohammed bin Salman verkauft wurde. Die letzten Klimt-Verkäufe haben jedoch gezeigt, dass die Welt grosses Interesse an seinen Werken hat: Das letzte bedeutende Klimt-Gemälde ging nach Japan.