Letzte Woche fand in Prag die Generalversammlung des internationalen Museumsrats ICOM statt. Das russische Komitee blieb diesem Treffen der Museumsverbände aus der ganzen Welt fern.
Einmal mehr wurde in Prag diskutiert: Soll Russland aus dem Weltverband der Museen ausgeschlossen werden? Katharina Korsunsky, Generalsekretärin von ICOM Schweiz, hat bei diesen Diskussionen teilgenommen.
SRF: Einige Mitglieder fordern, dass ICOM Russland aus dem Internationalen Museumsrat ausgeschlossen wird. Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Katharina Korsunsky: Dazu habe ich eine etwas abweichende Haltung. Auch der Vorstand von ICOM Schweiz teilt die Ansicht, dass man nicht ICOM Russland insgesamt ausschliessen sollte, sondern dass man gezielt einzelne Personen anschauen sollte.
Wir gehen davon aus, dass es in diesem grossen Nationalkomitee in Russland auch Mitglieder gibt, die den Angriffskrieg keinesfalls stützen. Uns scheint es wichtig, dass man diese Kräfte wenigstens moralisch unterstützen kann.
Welche Personen könnten denn betroffen sein von so einem Ausschluss?
Wir haben insbesondere zwei Personen identifiziert. Es war schon länger klar, dass der Präsident von ICOM Russland in der Duma sitzt, der Putin-Partei. Er steht mittlerweile auch auf der Sanktionsliste der EU, die Faktenlage ist hier aus unserer Sicht klar.
Es geht darum, einen Zugang zu finden, den man nachher weltweit in anderen Konfliktsituationen anwenden kann.
Die zweite Person ist der Direktor der Eremitage in Sankt Petersburg. Er hat sich öffentlich sehr deutlich geäussert, in einer Manier, die für uns absolut nicht mehr vertretbar ist. Er vertritt ganz klar Propaganda. Auch da scheint die Faktenlage sehr klar zu sein, so dass man mindestens eine Suspension der Mitgliedschaft in Betracht ziehen müsste.
Warum tut man sich beim internationalen Museumsrat so schwer damit, einzelne Personen auszuschliessen?
Ich denke, man möchte keinen Präzedenzfall schaffen. Es ist noch nicht vorgekommen, dass einzelne Mitglieder ausgeschlossen wurden. Es geht darum, einen Zugang zu finden, den man nachher weltweit auch in anderen Konfliktsituationen anwenden kann. Man will nicht zu eurozentristisch entscheiden, sondern die ganze Welt im Blick behalten.
Ich hoffe, dass jetzt wirklich Schritte in die Wege geleitet werden.
Was wären die Konsequenzen, wenn ICOM Russland komplett ausgeschlossen würde?
Für Russland würde sicherlich das Renommee leiden. Die russischen Mitglieder hätten keine Möglichkeit mehr, an den Aktivitäten von ICOM International teilzunehmen. Sie könnten nicht mehr im gleichen Masse mit anderen Museen weltweit kooperieren. Das ist aber ohnehin bereits erschwert.
In vielen Ländern werden diese Nationalkomitees von ihren Staaten auch direkt finanziell unterstützt – was das für den russischen Verband bedeuten würde, kann ich nicht genau abschätzen.
Wie wird es nun weitergehen? Wird es zu Sanktionen kommen?
Ich hoffe natürlich, dass jetzt wirklich Schritte in die Wege geleitet werden. Hätten Sie mich vor der Konferenz in Prag gefragt, wäre ich eher noch pessimistisch gewesen. Die Zeichen, die wir von ICOM International erhalten haben, waren sehr verhalten.
Nach der Konferenz bin ich optimistischer, dass das schneller vorangeht und wir bis Ende Jahr Resultate haben. Das Executive Board wurde neu zusammengesetzt. Wir haben neue Köpfe, die hoffentlich schneller und gezielter entscheiden werden.
Das Gespräch führte Igor Basic.