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Kunst im Krieg «Russland wird im Kulturbereich isoliert»

Russland wird auch kulturell isoliert. Was passiert für die Kunst in der Ukraine und im restlichen Europa?

Bei Krieg denkt man zuerst an das menschliche Leid. Doch er versetzt auch die Kunstwelt in Aufruhr: Die Biennale in Venedig gab in einem Statement bekannt, sie unterstütze die ukrainische Bevölkerung. In der Neuen Nationalgalerie in Berlin wurden Mahnwachen abgehalten. Einige Museen entfernen russische Exponate und beendeten die Zusammenarbeit mit russischen Mitgliedern in ihren Vorständen.

Kulturelles Erbe geht verloren

In der Ukraine sind Kulturgüter direkt bedroht: «Nahe Kiew wurde bereits das Brauchtums-Kunstmuseum einer wichtigen ukrainischen Künstlerin zerstört. Die UNESCO ist sehr besorgt. Sieben Städte der Ukraine stehen auf der Liste für Weltkulturerbe. Auch das Holocaust-Gedenkzentrum Babyn Jar wurde bei einem Angriff schwer beschädigt», erzählt Kunstanwalt Andreas Ritter. Er ist Geschäftsführer des Verbands «Kunstmarkt Schweiz».

Ein Mahnmal mit ukrainischen Bändern.
Legende: Ein Gedenkstein am Holocaust-Gedenkzentrum für die Opfer des Nationalsozialismus in Babyn Jar in Kiew. Das Bild wurde 2006 aufgenommen. IMAGO / Stefan M Prager

In London läuft momentan eine Ausstellung über Fabergé-Eier mit russischen Kulturgütern. In Paris ist die Morozov Collection in der Fondation Louis Vuitton zu Gast. «Da sind sehr wertvolle Gemälde aus staatlichem russischem Besitz ausgestellt. Das wird jetzt zum juristischen Knackpunkt, ob solche Werke beschlagnahmt werden können», so der Kunstanwalt.

Normalerweise gibt es im internationalen Leihverkehr für die Dauer der Ausleihe eine sogenannte Rückgabegarantie. Hierbei wird dem ausleihenden Staat im Drittstaat eine Immunität versprochen.

Ein russisches Exponat zeigt ein Ei auf zwei Türmen.
Legende: Die Ausstellung «Fabergé in London: Romance to Revolution» in London zeigt das Exponat «The Moscow Kremlin Egg». Die grosse Frage: Wie sollen Museen nun mit russischer Kunst umgehen? V&A Press Office

Im internationalen Kunstbetrieb kann der Krieg jedoch für rechtliche Verwerfungen sorgen. Ob die Immunität in der neuen Situation auch gelte, müsse man erst prüfen lassen, so Andreas Ritter.

Das ist erst der Anfang

Kürzlich hat sich eine niederländische Niederlassung der Eremitage vom berühmten Mutterhaus in St. Petersburg losgesagt. Ritter rechnet damit, dass die kein Einzelfall bleibt: «Da werden meines Erachtens viele weitere folgen, sodass die Isolation Russlands auch im Kulturbereich weitergetrieben wird.»

Auswirkungen des Krieges auf den Kunstmarkt – vor allem im Bereich der Messen und Galerien – sieht Ritter noch keine: «Man muss sich genau angucken, was das für russische und ukrainische Künstler bedeuten wird. Und natürlich auch für die russischen Sammler, die allenfalls als Kunden nicht mehr so genehm sind.» 

Die Kunstwelt wird sich verändern

Reichen Russinnen und Russen könnten im Westen unruhige Zeiten bevorstehen. Manche von ihnen würden die Kunst für sich entdecken, vermutet Andreas Ritter. Aber nicht aus Passion: Kunst gelte als sichere Wertanlage in unsicheren Zeiten.

Auf der anderen Seite werde in der Kunstszene aber bereits von Notverkäufen aus russischen Sammlungen berichtet, sagt Ritter. Die Welt ist erschüttert. Und auch die Kunstwelt gerät aus den Fugen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 07.03.2022, 17:10 ; 

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