In einer spektakulären Aktion hievt ein Kran eine rund vier mal zwei Meter grosse Holzkiste aus dem fünften Stock des Bundeskanzleramtes in Berlin herunter. Darin befindet sich das Bild «Sonntag der Bergbauern» von Ernst Ludwig Kirchner.
Kirchners Gemälde hing jahrzehntelang im Kabinettsaal und war bei TV-Übertragungen oft im Hintergrund zu sehen.
Kommentar und Weiterführung
Nun wurde es für die Ausstellung «Kirchner x Kirchner» ins Kunstmuseum Bern transportiert.
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Bild 1 von 3. Spektakulärer Kunsttransport: Im August wurde «Sonntag der Bergbauern» von Ernst Ludwig Kirchner im Kanzleramt in eine gigantische Kiste verfrachtet, um Berlin in Richtung Bern zu verlassen. Bildquelle: KEYSTONE/DPA/Fabian Sommer.
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Bild 2 von 3. Aufgrund der monumentalen Dimensionen des Ölgemäldes musste das Kunstwerk über die Terrasse des Kanzleramtes herausbefördert und mit einem Kran in den Ehrenhof heruntergehievt werden. Bildquelle: KEYSTONE/Silva Schnurrenberger.
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Bild 3 von 3. Einem breiten Publikum bekannt ist Kirchners Werk, da es jahrelang im Hintergrund der Kabinettssitzungen der deutschen Regierung zu sehen war – hier mit dem Aussenminister Johann Wadephul im Kabinettssaal. (Juni 2025). Bildquelle: Getty Images/Omer Messinger.
Ernst Ludwig Kirchner gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Expressionismus. Mit der Ausstellung «Kirchner x Kirchner» würdigt das Kunstmuseum Bern nicht nur dessen Schaffen, sondern erinnert auch an eine Ausstellung, die 1933 in Bern stattfand.
Kirchner lebte damals in Davos und stellte für die Kunsthalle seine eigene Ausstellung zusammen. Die aktuelle Ausstellung sei ein Kommentar auf diejenige von 1933, sagt Nadine Franci, die Kuratorin des Kunstmuseums. «Mich interessiert der Blick des Künstlers auf sich selbst. Was wollte er von sich zeigen, was liess er weg?»
Kräftige Farben, verzerrte Figuren
Kirchner verwendet in seinen Bildern gerne kräftige Farben, die eine emotionale Intensität erzeugen. Figuren, Räume und Landschaften sind oft verzerrt dargestellt, die Pinselstriche wirken roh und direkt.
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Bild 1 von 3. Urtümlich und direkt: So zeigen sich Ernst Ludwig Kirchners Werke, wie «Sich kämmender Akt» (1913, Ausschnitt) …. Bildquelle: Brücke-Museum, Ernst Ludwig Kirchner.
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Bild 2 von 3. … «Strasse mit roter Kokotte» (1914/25, Ausschnitt) …. Bildquelle: Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid.
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Bild 3 von 3. … oder «Esser». (1930, Ausschnitt). Bildquelle: Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern.
Sie habe in der aktuellen Ausstellung Bezüge zwischen den Werken herstellen wollen, sagt Franci. «Bei der Hängung war es mir wichtig, dass gewisse Gestaltungselemente von Bild zu Bild nachvollziehbar werden, quasi weiterwandern.» Dieses Prinzip habe Kirchner 1933 ebenfalls angewendet, um ein organisches Ganzes zu kreieren.
Herzstück Davos
Die Ausstellung präsentiert rund 65 Werke des deutschen Malers, im Zentrum stehen die beiden grossformatigen Gemälde «Sonntag der Bergbauern» (die Leihgabe aus dem Kanzleramt in Berlin) und «Alpsonntag» (aus der Sammlung des Kunstmuseums Bern). Entstanden um 1920, zeigen sie als Gemäldepaar Szenen aus dem Leben der Davoser Bergbevölkerung.
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Bild 1 von 2. Endlich wieder nebeneinander zu sehen: Kirchners «Alpsonntag. Szene am Brunnen» (1923–24/um 1929, Ausschnitt) … . Bildquelle: Bundesrepublik Deutschland.
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Bild 2 von 2. … und sein «Sonntag der Bergbauern» (1923–24/26, Ausschnitt) werden im Kunstmuseum Bern vereint. Bildquelle: Kunstmuseum Bern.
Wie stark die Bilder korrespondierten, sei ihr erst klar geworden, als die Leihgabe aus Berlin in Bern ankam, erzählt Nadine Franci. «Als ich das Bild mit seinen Farben vor mir sah, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.»
Kirchner verwendet für beide Bilder kontrastreiche Farben, insbesondere Blau-, Grün- und Rottöne. Die Körper der Figuren sind kantig und stilisiert und beide Bilder strahlen eine Ruhe und Würde aus. Obwohl die Bilder ein Paar bilden, waren sie lange Zeit nicht mehr nebeneinander zu sehen. Das letzte Mal 1933 eben bei der Ausstellung in Bern.
Was hätte Kirchner gesagt?
Indem Kirchner 1933 seine eigene Ausstellung kuratierte, konnte er selbst entscheiden, welches Image er nach aussen transportieren wollte. Was hätte er zur aktuellen Ausstellung gesagt? «Wahrscheinlich hätte er die Hängung der grossformatigen Bilder kritisiert», vermutet Nadine Franci. Aufnahmen von 1933 zeigen, dass die Bilder sehr tief aufgehängt wurden. So konnte sich das Publikum mitten unter den Figuren fühlen. Aus architektonischen Gründen sei das heute nicht möglich.
Was Kirchner an der aktuellen Ausstellung wohl besonders gefallen hätte: Sie würdigt auch sein Spätwerk – jene Bilder, die nach der Ausstellung von 1933 entstanden sind. So lässt sich nachvollziehen, wie sich seine Bildsprache über die Jahre hinweg entwickelt hat.