Es zischt, scheppert und schlägt. Ein Höllenlärm füllt die Räumlichkeiten des Basler Tinguely-Museums. Kein Wunder, denn alle vier Werke aus Tinguelys «Méta-Harmonie»-Serie spielen hier ein kollektives Konzert.
Eines der Harmonie-Werke heisst «Pandämonium», Tinguely hat es nach der Heimat der Dämonen benannt. Das war 1984. In seinem Spätwerk interessierte sich der Künstler überwiegend für Themen wie Tod und Hölle. Sie sollten in seiner Kunst sichtbar werden und anklingen.
Kunst, unterwegs im Schiffscontainer
Das «Pandämonium» hatte Tinguely für eine Warenhauskette in Tokyo als Auftragswerk angefertigt. Für die Schau wurde es per Seefracht hergebracht. Acht Wochen war es im Schiffscontainer in Kisten unterwegs.
Etwa so gross wie ein Schiffscontainer steht das Werk nun auch im zusammengebauten Zustand. 52 Motoren betreiben die bewegliche, klangerzeugende Plastik. Darin hat Tinguely Alltagsgegenstände wie Kuhglocken, Tierschädel, ein Fondue-Caquelon und Perkussionsinstrumente verbaut, die alle zufällig Klänge erzeugen. Tinguely verstand das Ergebnis nicht als Musik, er nannte seine Meta-Harmonien bewusst Tonmischschmaschinen.
Gefunden und zu Kunst gemacht
«Seine Maschinen mischen vorgefundene Töne. Das ist das Interessante», sagt die Kuratorin Anja Müller-Alsbach, «denn die Töne sind im Sinne eines Objet trouvé gefunden. Tinguely verwendet Trommeln, die er im Musikgeschäft gekauft hat. Gleichzeitig aber auch einen Jauchlöffel oder einen Metallkanister. Alle diese Dinge setzt er als Klangkörper ein. Es ist also wirklich gefundenes Tonmaterial.»
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Dabei klingen die Tonelemente der frühen Metaharmonie von 1978 melodischer, als die zwei letzten Werke. Der etwas ältere Tinguely arbeitete später vermehrt mit perkussiven Schlägen.
Chaos der Sinne
In Basel spielen die vier Werke allerdings ein gemeinsames Konzert. So fährt ein Rad langsam auf dem Keyboard auf und ab, ein Bogen streicht über die Geige. Schläger werden angehoben, hauen auf Xylophon, Klaviersaiten und Ölfass, während sich an einer anderen Stelle ein Gartenzwerg um die eigene Achse dreht.
Tinguely veranstaltet ein Chaos der Sinne. «Wir hören einen Klang, dann versucht man den Ursprungsort dieses Ton zu suchen», erklärt Kuratorin Müller-Alsbach. «In dem Moment, wenn das Auge diesen Ort erhaschen konnte, ist der Klang vielleicht schon wieder weg. Oder er verklingt gerade.» So fordert die Plastik Hör- und Sehsinn gleichermassen.
Tinguely spielt mit seinen Werken akustische und optische Reize gegeneinander aus. Dabei erreicht die akustische Dimension in Tinguelys Werk in dieser Ausstellung ihren Höhepunkt: Hier ist Tinguely ganz gross und ganz laut.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 19. Oktober 2016, 16.50 Uhr