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Kuratorinnen der Documenta 16 5 Frauen, ein Auftrag: Die Documenta will ihre Reputation retten

Die Documenta in Kassel ist eine der international bedeutendsten Ausstellungen zu zeitgenössischer Kunst. Doch das Kuratorium und die gesamte letzte Ausgabe vor drei Jahren gerieten wegen Antisemitismus-Vorwürfen massiv in die Kritik. Trotz Besserungs-Versprechen gab es bei der Planung der nächsten Ausgabe erneut Vorwürfe. Im harzigen Prozess ist man nun einen Schritt weiter: Das Kuratorinnen-Team ist bekannt. Kunstkritiker Carsten Probst verrät, was zu erwarten ist.

Carsten Probst

Kunstkritiker

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Carsten Probst ist Schriftsteller, Theoretiker, Kunsthistoriker und Kunstkritiker in Berlin. Er arbeitet unter anderem beim Deutschlandfunk. Seine Schwerpunkte sind Bilddiskurse der Moderne und Gegenwart sowie transkulturelle Wissensbegriffe.

SRF: Das neu vorgestellte, vierköpfige künstlerische Team der Documenta, das an der Seite der zuvor bereits ausgewählten Leiterin Naomi Beckwith steht, ist rein weiblich. Ist das Zufall oder eine Richtungsentscheidung?

Carsten Probst: Ich gehe davon aus, dass Mayra A. Rodríguez Castro, Carla Acevedo-Yates, Romi Crawford und Xiaoyu Weng Vertrauenspersonen von Naomi Beckwith, der künstlerischen Leiterin der Documenta 16, sind. Hier ist wahrscheinlich weniger das Geschlecht entscheidend, als die Tatsache, dass sie mit diesen Personen in den letzten Jahren bereits sehr eng im musealen Rahmen zusammengearbeitet hat. Es ist also kein Zufall, aber das Geschlecht ist weniger wichtig.

Documenta 16: Das Kuratorinnen-Team

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Fünf Frauen in formeller Kleidung in einem Büro.
Legende: Von links: Romi Crawford, Mayra A. Rodríguez Castro, Xiaoyu Weng, Carla Acevedo-Yates und Naomi Beckwith. documenta/Museum Fridericianum gGmbH/Nicolas Wefers
  • Kuratorin Naomi Beckwith (Gesamtleitung)
  • Kuratorin und Wissenschaftlerin Carla Acevedo-Yates
  • Pädagogin, Autorin und Professorin Romi Crawford
  • Schriftstellerin und Herausgeberin Mayra A. Rodríguez Castro
  • Kuratorin und Autorin Xiaoyu Weng.

Was verbindet die neuen Kuratorinnen?

Auffallend ist, dass alle vier Frauen, die Naomi Beckwith benannt hat, dem Kontext und dem Selbstverständnis westlicher Kunstinstitutionen entsprechen: sowohl der Museen als auch der angeschlossenen wissenschaftlichen Einrichtungen.

Sie werden die Regeln nicht überschreiten, so wie es tendenziell bei der letzten Documenta der Fall war.

Die vier Frauen bilden ein solides Team mit sehr viel Expertise, auch in der Forschung. Sie werden sicherlich auch die Rolle von Institutionen im westlichen Kunstbetrieb kritisch thematisieren. Aber sie werden sich an die Regeln dieser Institutionen halten. Sie werden sie nicht überschreiten, so wie es tendenziell bei der letzten Documenta der Fall war.

Lächelnde Person im blauen Anzug vor grauem Hintergrund.
Legende: Bereits im Dezember 2024 wurde bekannt, dass Naomi Beckwith die leitende Kuratorin der Documenta 16 sein wird. Sie tritt, jetzt immerhin mit einem exzellenten Team an ihrer Seite, in «schwierige Fussstapfen». documenta und Museum Fridericianum gGmbH/Nicolas Wefers

Was muss das neue Team leisten, um den Ruf der Documenta wiederherzustellen?

Das neue Kuratorium ist berufen, um gewissermassen die Glaubwürdigkeit der Documenta wiederherzustellen. Dafür ist Naomi Beckwith als künstlerische Leiterin benannt worden. Sie muss um jeden Preis vermeiden, dass die Thematisierung etwa von Kunst aus dem globalen Süden, die ja hier eine Rolle spielen soll, sich wieder mit politischen Themen vermischt, die in irgendeiner Weise grenzwertig sind. Sie sagt, es soll keine Überraschungen auf dieser Documenta geben, also keine Kunstwerke, die plötzlich enthüllt werden und potenziell antisemitische Darstellungen zeigen. Die Kuratorinnen sollen ihre Expertise einsetzen und alles kennen, was zu sehen ist. Auch die Haltungen der Künstlerinnen, die eingeladen werden, sollen bekannt sein.

Verrät uns die Auswahl der Kuratorinnen schon, was auf der nächsten Documenta zu sehen sein wird?

Ja, anhand der Tätigkeiten der Personen kann man eine Tendenz erahnen. Es geht einerseits natürlich um das Thema der Kunst des globalen Südens in vielen einzelnen, sehr individuellen Facetten.

Es geht auch um einen feministischen Ansatz, um alternative Konzepte der Kunstvermittlung.

Das Thema spielt bei der Documenta seit fast 30 Jahren eine prägende Rolle und war in der letzten Zeit durch die Antisemitismusvorwürfe etwas ins Gerede gekommen. Ob das überhaupt noch geht, in Ausstellungen? Naomi Beckwith will beweisen, dass es funktioniert. Es geht auch um einen feministischen Ansatz, um alternative Konzepte der Kunstvermittlung – aber eben alles abgedeckt durch den Kanon des westlichen Kunstbetriebs.

Das Gespräch führte Simon Burri.

Veranstaltungshinweis

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Die kommende Ausgabe der Documenta findet vom 12. Juni bis am 19. September 2027 in Kassel statt.

Radio SRF2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.8.2025, 17:10 Uhr ; 

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