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Mediale Spektakel Catwalks und Kultur: Warum Modenschauen Kunstwerke sind

Modenschauen dauern meist nur etwa 15 Minuten, sind mediale Spektakel sondergleichen – und spiegeln den Zeitgeist. Dem widmet sich eine Ausstellung im Vitra Design Museum.

Als der Engländer Charles Frederick Worth 1846 nach Paris zog, sprach er kein Französisch und hatte gerade mal fünf Pfund in der Tasche. Heute gilt Worth als Vater der Haute Couture, der die Modewelt revolutionierte. Worth war der erste, der Kleiderkollektionen zum Vornherein entwarf, Etiketten mit seinem Namen in die Kleider nähte und seine Entwürfe von lebenden Models präsentieren liess.

Frauen in Vintage-Kleidern mit Sonnenschirmen.
Legende: Das machte was her: Eine Mannequin-Parade schreitet durch einen Pariser Garten und zeigt Mode-Kreationen. (1910) Jean Sébastien Baschet / Henri Manuel

Die Mannequins flanierten Anfang des 20. Jahrhunderts durch Pariser Salons und Gärten und beeindruckten die feine Gesellschaft.

Die Geburt der Fashion Week

Paris war lange Zeit das Epizentrum der Mode. Aufgrund der Kriegssituation in Europa fand 1945 in New York die Wanderausstellung «Théâtre de la Mode» statt. Über 40 Pariser Couturiers präsentierten ihre Werke in detailreichen Bühnenbildern. Bald folgten London, Mailand und Paris mit eigenen Modewochen.

Was sind Haute Couture und Prêt-à-porter?

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Zur Haute Couture («gehobene Schneiderei») gehören aufwendige, handgefertigte Einzelteile, die speziell für den Laufsteg kreiert wurden. Bei den gezeigten Entwürfen geht es nicht vorwiegend um die Tragbarkeit, sondern um die Vorgabe von Trends.

Prêt-à-porter-Kollektionen («bereit zum Tragen») indes werden in Standardgrössen und unterschiedlicher Stückzahl auf den Markt gebracht.

Mit dem Aufstieg der Prêt-à-porter-Mode Ende der 1950er-Jahre verlassen Modeschauen die exklusiven Salons und erobern urbane Räume und Subkulturen. Sie werden zu Performances, die den Puls der Zeit reflektieren. So liess sich Paco Rabanne Ende der 1960er-Jahre von der Mondlandung inspirieren und entwarf ein futuristisches Space-Age-Minikleid – ein Statement zwischen Mode und Technologie.

Person auf Laufsteg in glitzerndem, metallischem Outfit.
Legende: Space-Age, starkes Frauenbild und Diversität: In Paco Rabannes Show in Paris liefen Schwarze Models zusammen mit ihren weissen Kolleginnen – damals keine Alltäglichkeit. (1968) Getty / Alain Loison

Gleichzeitig werden aber auch kritische Stimmen laut bezüglich Kommerzialisierung und Erfolgsdruck, der in der Modewelt herrscht. So persifliert der Film «Who are you Polly Maggoo?» (1966) das Leben eines amerikanischen Models und den Mythos der ersten Reihe.

Supermodels und Spektakel

Die 1990er-Jahre markieren das goldene Zeitalter der Supermodels: Ikonen wie Cindy Crawford, Naomi Campbell und Linda Evangelista avancieren zu gefeierten Popstars. Modenschauen wandeln sich zu aufwendig inszenierten Spektakeln – mit dem Charakter von Grossereignissen.

Als unangefochtener Meister der Opulenz inszeniert Karl Lagerfeld seine Visionen mit viel Dramatik, etwa indem er den Pariser Grand Palais in einen Supermarkt verwandelt oder eine Rakete installiert, die am Ende der Show scheinbar abhebt.

Andere hingegen bauen auf Dekonstruktion und kritische Reflexion. So inszeniert Alexander McQueen 1999 eine Schau, bei der zwei Industrieroboter ein Kleid besprühen.

McQueen schafft so ein Sinnbild für die ambivalente Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Zwei Jahrzehnte später lässt Demna Gvasalia seine Models in einer dystopisch anmutenden Szenerie durch knöcheltiefes Wasser schreiten und verhandelt damit den Klimawandel.

Modeschau für Insta & Co.

«Die Schauen werden heute mehr für die Leute auf Social Media gemacht als für die Leute, die vor Ort präsent sind», sagt Katharina Krawczyk, Co-Kuratorin der Ausstellung «Catwalk» im Vitra Design Museum.

«Catwalk – The Art of the Fashion Show»

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Das Vitra Design Museum widmet der Modenschau aktuell eine chronologische und thematische Ausstellung. Die Schau zeigt anhand von Fotos, Zeichnungen, Filmdokumenten, Architekturmodellen und natürlich Kleider und Accessoires die Entwicklung der Modeschau vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Die Ausstellung ist am Vitra Design Museum in Weil am Rhein vom 18. Oktober 2025 bis zum 15. Februar 2026 zu sehen.

Modeschauen haben also auch im digitalen Zeitalter nicht an Attraktivität verloren. Zwar flammt immer wieder Kritik an der Branche auf. Etwa hinsichtlich des ungesunden Körperbildes, das extrem schlanke Models auf den Laufstegen vermitteln. Zudem verbrauchen Modeshows viel Ressourcen und stehen unter Verdacht, Überproduktion und Fast Fashion anzukurbeln.

Gleichzeitig sind sie aber auch spannende popkulturelle Ereignisse und multidisziplinäre Gesamtkunstwerke mit eigener visuellen Sprache. Selbst Kunstbanause Homer Simpson vermag sich der Aura von Glamour und Exklusivität nicht gänzlich zu entziehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 17.10.2025, 17:10 Uhr

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