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Protest in Museen Wie die Kunst zur Zielscheibe der Klimabewegung wurde

Seit Monaten nehmen Klimaaktivistinnen Kunstwerke ins Visier. Wie kam das – und wie kommt es an? Eine Zwischenbilanz.

Worum geht es? Tomatensuppe auf van Gogh, Kartoffelbrei auf Monet: Neben Strassen und Brücken sind vor allem berühmte Bilder das Ziel von Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Seit diesem Sommer werden in europäischen Museen wiederholt solche Attacken verübt – zuletzt in Potsdam und Berlin. Die Kunstwerke blieben dabei unbeschädigt.

Trotzdem beklagten Museen Ausfälle durch vorübergehende Schliessung oder Sachschaden an Rahmen und Wänden in bis zu fünfstelliger Höhe. Auch die Schweiz war bisher zweimal betroffen: Aktivisten von Renovate Switzerland klebten sich an Gemälden im Kunsthaus Zürich und im Musée des Beaux Arts in Lausanne.

Aktivistinnen haben sich an eine Museumswand geklebt, über ihnen ein Bild von van Gogh mit Tomatensauce beschmiert
Legende: Zum Glück hinter Glas: Der van Gogh in London hat die Tomaten-Attacke überlebt. IMAGO/ZUMA WIRE

Wie fallen die Reaktionen aus? In den sozialen Medien und Kommentarspalten sind die Meinungen mehrheitlich kritisch bis verständnislos. Es wird davor gewarnt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis ein Kunstwerk zerstört werde. Obwohl die Aktivistinnen laut eigenen Aussagen darauf schauen, dass sie nur geschützte Kunstwerke attackieren.

Auch die grüne deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth zeigt Verständnis für die Anliegen. Aber statt über die Sache werde vor allem über Kartoffelbrei, Schutzglas und Sicherheitsmassnahmen diskutiert. Der Potsdamer SPD-Oberbürgermeister Mike Schubert sprach sogar von «Kulturbarbarei».

Wie reagieren die Museen? Die Museen verurteilen die Attacken. Das Kunsthaus Zürich etwa hat Anzeige gegen die Aktivistinnen erstattet und Hausverbot erteilt.

Deutlich wurde Bernhard Maaz, der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. «Es ist nicht legitim, einmalige kulturelle Menschheitszeugnisse zu beschädigen, um auf die faktisch gegebenen klimatischen Probleme hinzuweisen», sagte er im Kunst-Magazin «Monopol».

In Deutschland wird gewarnt, dass Museen ihre Funktion als offene Räume für Begegnungen verlieren könnten. In Hessen und Rheinland-Pfalz verschärfen Museen derzeit ihre Sicherheitsmassnahmen. In der Schweiz vertrauen sie noch auf die üblichen Sicherheitsvorkehrungen wie Aufsicht, Taschenkontrolle oder Videoüberwachung.

Gibt es auch Support aus der Kulturszene? Die relativierenden Stimmen mehren sich. Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler in Riehen, sagte zu SRF: «Ich habe für diese Proteste Verständnis, das Anliegen ist ja dringend und wichtig. Unsere Aufgabe ist es aber trotzdem, die Kunstwerke zu schützen.»

Auch Rockmusiker Bob Geldof unterstützt den Tomatensuppen-Wurf auf einen van Gogh in London. «Die Klimaaktivisten haben zu 1000 Prozent recht. Und ich unterstütze sie zu 1000 Prozent», sagte der 71-Jährige dem Sender Radio Times.

Wie beurteilen die Feuilletons die Proteste? Die Redaktionen sind sich uneins. Es handle sich nicht um Anschläge auf Kunstwerke, sondern auf «Glasscheiben vor Kunstwerken», kommentiert der Berliner «Tagesspiegel». Ähnlich das Online-Magazin «Bajour»: «Die Aktion ist doof. Aber es gibt viel, viel Schlimmeres, als nicht zerstörte Gemälde.»

Doch auch in den Feuilletons dominiert Kritik. Der Deutschlandfunk warnt: «Wer rücksichtslos Kulturgut attackiert, verübt ästhetische Lynchjustiz.» Die «Süddeutsche Zeitung» schreibt, für die Aktivisten sei Claude Monet «ein weiterer alter weisser Mann, der für etwas steht, das grundsätzlich nicht okay ist». Und die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» titelt salopp: «Suppenkasper im Museum».

Radio SRF 1, Regionaljournal Basel, 28.10.2022, 17:30 Uhr

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