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Schweizer Grand Prix Design Diese Schweizer Designerin ist kaum bekannt – aber ausgezeichnet

Eleonore Peduzzi Riva designte eine der ersten Halogenlampen und entwickelte das legendäre Tatzelwurmsofa mit. Trotzdem stand sie lange im Schatten.

Es scheint das Schicksal von Eleonore Peduzzi Riva gewesen zu sein, dass ihr Wirken in ihrem langen Leben oft nicht wahrgenommen wurde. Das stellte auch die eidgenössische Designkommission fest. In den Fachbüchern komme das Werk Peduzzi Rivas nicht vor, schrieb sie. Mit dem Schweizer Grand Prix Design könnte sich dies ändern.

«Dieser Preis freut mich sehr», sagt die 87-Jährige in ihrem Haus in Riehen bei Basel. «Nur ist er halt ein bisschen spät. Hätte ich ihn früher erhalten, hätte er mir etwas gebracht.»

Kein Gefängnis für das Kind

Denn wer preisgekrönt sei, bekomme eher einen Auftrag als jemand Unbekanntes, so die 1936 in Basel Geborene. Von mangelnder Anerkennung aus der Schweiz liess sie sich jedoch nie beirren.

Elegante ältere Dame posiert neben Tischlampe
Legende: Ein beeindruckendes Lebenswerk: Eleonore Peduzzi Riva zeigt in ihrem Riehener Haus die von ihr entworfene Lampada Vacuna. SRF / Noëmi Gradwohl

Sie designte immer, was sie brauchte und was es noch nicht gab. Zum Beispiel als sie 1960 ihren Sohn gebar und ihr keines der bestehenden Kinderbettchen passte: «Ich wollte nicht, dass mein Kind in einem Gefängnis aufwächst», erklärt sie in ihrer unverblümten Art. «Denn alle Kinderbettchen haben ja Gitterstäbe.»

Also entwarf sie ein Bettchen, bei dem sie die Stäbe durch Stoffbahnen ersetzte. Diese konnten bei Bedarf einzeln gewaschen werden. Für Eleonore Peduzzi Riva heisst Design vor allem, Lösungen für ein Problem zu finden.

Vom Rhein nach Mailand

Die Tochter eines Anwalts und einer Hausfrau wollte eigentlich Musikerin werden. «Dann habe ich gemerkt, dass das Talent nicht so gross ist, wie ich es für mich verlangt hätte.» Also entschied sie sich für Architektur und besuchte die Fachklasse für Innenausbau an der Allgemeinen Gewerbeschule in Basel. Später ging sie als Gasthörerin für Architektur ans Polytechnikum nach Mailand.

Wenn Sie keinen Auftrag haben, machen Sie halt Gegenstände.
Autor: Eleonore Peduzzi Riva Designerin

Die italienische Grossstadt gefiel ihr ausserordentlich: «Hier habe ich eine andere Welt entdeckt», so Peduzzi Riva. Sie gründete mit ihrem damaligen Ehemann, dem Ingenieur Sandro Riva, ein Architekturbüro. Da sie keine leichten Büromöbel fand, designte sie sie gleich selbst. Es war ihr erstes Industriedesign.

Design aus der Not

Doch mit der Architektur lief es nicht rund. Bauunternehmer in Italien vergaben Aufträge gerne unter der Hand. Die Not ebnete Peduzzi Rivas Weg zum Design: «Wenn Sie keinen Auftrag haben, ein Haus zu bauen oder umzubauen, machen Sie halt Gegenstände», erklärt sie. «Dafür braucht es keinen Auftrag.» Das ganze italienische Design sei aus Ermangelung an Aufträgen geboren.

Niemand macht in unserem Gebiet etwas allein.
Autor: Eleonore Peduzzi Riva Designerin

Die Designerin geniesst die Zusammenarbeit mit Kunsthandwerkern und Produzenten. Für ihre Schüssel «Bola», die das Museum of Modern Art in New York in seine Sammlung aufgenommen hat, ging sie nach Murano zu einem Glasbläser. «Design ist immer Teamwork», sagt sie. «Niemand macht in unserem Gebiet etwas allein.»

Teamarbeit ist auch ihr ikonischster Entwurf von 1972: Das Sofa DS-600 des Schweizer Möbelunternehmens De Sede, auch Tatzelwurm genannt. Es ist aus einzelnen Lederpolster-Elementen aufgebaut, die man modulartig aneinanderreihen kann, wie eine Wirbelsäule.

Entwickelt hat sie es gemeinsam mit Ueli Berger, Heinz Ulrich und Klaus Vogt. Während die drei Designer bekannt sind, musste Eleonore Peduzzi Riva Jahrzehnte auf ihre Anerkennung warten.

Über die Mitdesigner gibt es längst Publikationen, nun erscheint anlässlich des Schweizer Granz Prix Design erstmals eine Schrift über Eleonore Peduzzi Riva. Publikationen machen sichtbar und reihen in die Designgeschichte ein. Besser spät als nie.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 13.06.2023, 09:03 Uhr

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