Das Instagram-Profil von Smart gleicht auf den ersten Blick dem eines selfievernarrten Szenis: Unter Palmen, in italienischen Gassen und vor stylishen Bürotürmen wird der Auto-Knirps abgeknipst.
Besonders beliebt: Der Smart vor Fassaden mit Street Art. «Street Art Liebe verpflichtet», heisst es sogar in einem Post , in dem eine Smartfahrerin aus dem Auto heraus ein Graffiti abfotografiert. Hashtag: #streetartliebe.
Das stösst allerdings auf wenig Gegenliebe in der Sprayer-Szene. Jurena Munoz und Caspar David Engstfeld, Mitglieder desselben Künstlerkollektivs, wehren sich dagegen, dass Smart ihre Werke als Hintergrund-Deko für Werbung verwendet.
Nicht gefragt, nicht ausbezahlt
Sie hätten dem nie zugestimmt, sagten sie gegenüber einem Online-Magazin . Dass sie nicht angefragt und von einem milliardenschweren Unternehmen nicht einmal honoriert wurden, sei «einfach schade».
Die zuständige Werbeagentur weiss sich im Recht. Die Bilder sind öffentlich zugänglich – sie wurden im Rahmen eines Festivals legal auf eine Kölner Hauswand gesprayt.
Trotzdem hat Smart die Fotos unterdessen von Facebook entfernt und auf Instagram mit den Profilen der Künstler verlinkt – nachdem verschiedene Nutzer unter den Posts unter dem Hashtag #supporttheartist protestiert hatten.
Verärgert statt angetan
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Firma versucht, sich mit Street Art einen junges, urbanes Image zu geben – und sich damit ausgerechnet bei der Zielgruppe unbeliebt macht.
Im März verklagte der Künstler Revok aus Los Angeles H&M. Die Modemarke hatte ein Model vor einem seiner Graffitis in Brooklyn abgelichtet. H&M wollte darauf ihn verklagen – denn seine Wandbild ist illegal entstanden – krebste dann aber zurück und löschte die Kampagne.
Einen Shitstorm heimste sich H&M trotzdem ein: Filialen wurden beschmiert und das Label im Netz unter dem Hashtag #fuckhm beschimpft.
Cavalli geklaut, Banksy missbraucht
Vor einigen Jahren geriet bereits Roberto Cavalli in einen Rechtsstreit mit Revok und anderen Street-Art-Künstlern. Für eine Kollektion namens «Graffiti» liess der Designer deren Werke auf Kleider, Rucksäcke und Schuhe drucken – verfremdet durch den Schriftzug «Just Cavalli».
Die Street-Art-Künstlerin Maya Hayuk verklagte 2014 eine Popsängerin und ihr Label , weil deren Albumcover vor einem ihrer Murals in New York fotografiert wurde.
Auch die Schuhmarke Fila und deren Händler Deichmann (Dosenbach in der Schweiz) machte sich mit einer Guerilla-Kampagne nicht nur Freunde. Sie zogen bekannten Werken von Banksy ihre Schuhe an und streuten Bilder davon in den sozialen Medien.
Dürfen die das?
Überraschend ist es nicht, dass Firmen wie Smart sich Art Work von Street Artists aneignen. Das verleiht ihnen einen Hauch von Draufgängertum und Coolness – und lässt sie gut aussehen.
Aber darf eine Firma das? Ja, sagt der Jurist Rolf Corrodi. Grund dafür ist die sogenannte Panoramafreiheit, die auch im Schweizer Urheberrecht verankert ist: «Werke, die auf allgemein zugänglichem Grund zu sehen sind, darf man abbilden.»
Ein Gemälde an einer Hauswand darf also theoretisch jeder und jede auf eine Postkarte drucken – oder eben für Werbung verwenden. Allerdings muss es ein bleibendes Werk sein. «Eine temporäre Ausstellungsart, zum Beispiel eine vorübergehend aufgehängte Blache, ist ein anderer Fall», sagt Corrodi.
Gegen Zerstörung geschützt?
Gegen die Verwendung durch andere ist Street Art also rechtlich nicht geschützt. Aber was, wenn ich ein Werk abmontieren oder übermalen will? Dann ist laut Rolf Corrodi entscheidend, wie das Werk entstanden ist – ob illegal oder legal.
Ohne Auftrag hat man als Street Artist juristisch schlechte Karten: «Denn bei illegal erstellten Werken sind die Eigentumsrechte des Immobilienbesitzers durch die ‹ungefragte Verschönerung› beschnitten.»
Für Auftragswerke hingegen gilt ein Schutz vor Zerstörung: Theoretisch dürfte eine Künstlerin also wohl eine Wand mit ihrem Graffiti abtransportieren, bevor ein Haus abgerissen wird.
«Graffitis sind kunstvoll»
Ob man Banksy ist oder ein No Name, ist dabei zweitrangig. Denn um als Werk der bildenden Kunst gehandelt zu werden, muss laut Gesetz bloss eine geistige Schöpfung mit individuellem Charakter erkennbar sein.
Dieser Status sei rasch erreicht, sagt Rolf Corrodi: «Auch Graffitis sind von Sujet, Aussage und Machart her oft kunstvoll gefertigt – reine Tags ausgenommen.»
Bisher gebe es in der Schweiz aber fast keine Gerichtsentscheide zu Street Art. «Es wird aber vermehrt zu einem Thema», sagt Corrodi. Denn je öfters Marketingleute von Firmen auf die Ästhetik der Street Artists schielen, desto mehr Protest dürfte es von deren Seite geben.