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Architekt Philippe Villeneuve zum Wiederaufbau der Notre-Dame
Aus Kultur-Aktualität vom 13.10.2019.
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Wiederaufbau der Notre-Dame Der Dombaumeister ist zuversichtlich – trotz der Streitereien

Architekt Philippe Villeneuve leitet den Wiederaufbau der Notre-Dame in Paris. An der europäischen Dommeister-Tagung in Basel hielt er ein Referat – die gebannte Aufmerksamkeit war ihm garantiert.

Sogar die gut informierten Fachleute schweigen betroffen, als Philippe Villeneuve Bilder von der Zerstörung und den laufenden Reparaturarbeiten an der Notre-Dame zeigt. Doch er sei Enthusiast, tröstet der Chefarchitekt. Und er sei nicht alleine: «Ich habe viel Solidarität erfahren.»

Staatlich gesicherte Spendengelder

Damit spricht Villeneuve die vielen Firmen an, die handfeste Unterstützung geleistet haben. Und er verweist auf die mehr als eine Milliarde Euro Spendengelder. Spendengelder, die nicht nur versprochen, sondern auch bezahlt werden?

«Auf jeden Fall. Die grossen Spender haben mit dem Staat eine diesbezügliche Konvention unterschrieben», sagt der Architekt.

Drei Männer mit weissen Helmen stehen in einem zerstörten Kirchenschiff.
Legende: Bestandesaufnahme einer Katastrophe: Chefarchitekt Philippe Villeneuve (rechts) spricht mit dem Kanadischen Premierminister Justin Trudeau (Mitte) und dem Domdekan der Notre-Dame, Patrick Chauvet. Keystone / PHILIPPE LOPEZ

Möglichst wenig Bürokratie

In fünf Jahren soll der Wiederaufbau fertig sein, hatte Emmanuel Macron verkündet. Schafft Philippe Villeneuve das?

«Die ganze Kirche sicher nicht. Aber dass man sie für die Messe wieder brauchen kann, ist möglich – sofern nicht allzu viel Zeit verloren geht mit unnötiger Bürokratie. Und wenn schnell geklärt ist, wie der Turmaufbau und Umgebung aussehen sollen.»

Ein heikler Punkt: Denn ob ein Turm oder eher eine Aussichtsplattform, ob ein Dach aus Holz, Stahl oder Glas – darüber wird in der Öffentlichkeit heftig debattiert.

«Solche Streitereien lasse ich links liegen», sagt Villeneuve. «Meine Aufgabe ist es, die Struktur der Kathedrale zu retten.»

Duschen obligatorisch

Was Villeneuve ärgert, sind medial breit gewalzte Fehlinterpretationen. Zum Beispiel, dass die 400 Tonnen Blei auf dem Dach der Kathedrale während des Brandes verdampft seien und so die ganze Umgebung, ja ganz Paris kontaminiert hätten.

«Blei verdampft erst bei 1750 Grad. Beim Brand aber wurde es allerhöchstens 1000 Grad heiss», sagt Villeneuve. Was da erzählt würde, grenze an eine Psychose. Diese habe dazu geführt, dass jetzt alle Arbeiter – er inklusive – sich beim Betreten der Kathedrale nackt ausziehen, dann Masken und Papierkleider anziehen, und beim Verlassen der Kathedrale jedes Mal duschen müssten.

«Ein sinnloser Mehraufwand», meint der Chefarchitekt und rennt los. Rasch noch einen Kaffee getrunken und ein paar Hände von Dombaumeister-Kollegen und Kunsthistorikerinnen geschüttelt – und bereits ist Philippe Villeneuve wieder auf dem Zug. Zurück zur Notre-Dame, zurück zu einer gigantischen Herkules-Aufgabe.

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