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150 Jahre Rainer Maria Rilke Unter «merkwürdigen Leuten»: Rilkes Jahre in der Schweiz

Vor 150 Jahren kam Rainer Maria Rilke in Prag zur Welt. Seine letzten sieben Lebensjahre verbrachte der Dichter in der Schweiz – doch eine Liebe auf den ersten Blick war es keineswegs.

«Ich bin gerettet!» Im Februar 1922 befand sich Rainer Maria Rilke in Hochstimmung: «Was so schwer auf mir gelastet und mich am meisten geängstigt hat, ist getan.»

Nach zehn Jahren quälender Schaffenskrise hatte der Dichter endlich sein Lebenswerk vollendet: die Gedichtfolge «Duineser Elegien».

Möglich wurde dies im mittelalterlichen Turmhaus Château de Muzot oberhalb von Sierre, wohin sich Rilke in beinahe asketischer Abgeschiedenheit zurückgezogen hatte. Nach dem Abschluss der Elegien sei er «hinausgegangen, um das alte Muzot zu streicheln, eben gerade, im Mondlicht».

Wie die Provence

Rilke hatte das Wallis im Herbst 1920 durch seine Freundin Baladine Klossowska kennengelernt. Den Dichter zog es aber nicht in jene Seitentäler, wohin sich heute die Touristen drängen.

Seine Faszination galt der weiten Rhone-Ebene, die ihn an die Provence und an Spanien erinnerte – Landschaften, die ihn zuvor tief berührt hatten. Nun glaubte er, «ihre Stimmen vereint zu finden in einem ausgebreiteten Bergthal der Schweiz!»

Über die Person Rainer Maria Rilke

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Rainer Maria Rilke, eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, kam am 4. Dezember 1875 in Prag zur Welt. Er zählt zu den bedeutendsten Lyrikern der Moderne und ist weltweit der meistgelesene deutschsprachige Dichter. Gedichte wie «Der Panther», «Herbsttag» oder «Das Karussell» sind Evergreens der deutschsprachigen Lyrik.

Zu Rilkes poetischen Werk gehören zahlreiche weitere Gedichte sowie Essays, Briefe und der Roman «Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge» (1910).

Als besonders herausragend gilt Rainer Maria Rilkes Gedichtsammlung «Duineser Elegien», die er im Wallis im Château de Muzot vollendete. Hier schrieb er auch die «Sonette an Orpheus» (beide 1922).

Rainer Maria Rilkes Grab befindet sich bis heute auf dem Burghügel in Raron.

Bevor Rilke jedoch in der Schweiz eine Wahlheimat fand, hielt sich seine Begeisterung für das Land durchaus in Grenzen.

1914 reiste er erstmals durch die Schweiz, auf dem Weg von München nach Paris. Die Alpen erschienen ihm als «dumme Gebirge» und «imposante Hindernisse». Zürich empfand er als nervenaufreibend, eine Stadt, in der «die Uhren so kuhäugig-gross wie lauter Bahnhofuhren in die […] unsäglich bürgerliche Landschaft schauen».

Zwischen Bergen und Bellevue

Nach dem Ersten Weltkrieg verliess Rilke fluchtartig das politisch aufgewühlte München. Eine Einladung des Lesezirkels Hottingen führte ihn nach Zürich; ausserdem besuchte er Nyon, Genf und Bern.

Allmählich begann er, Gefallen zu finden: Genf erinnerte ihn an Paris, auch Bern sagte ihm zu – ganz besonders das Hotel Bellevue Palace mit dem hauseigenen Friseursalon. Nicht immer suchte Rilke das karge Leben, wie später im Château de Muzot.

Einen ersten Ruheort fand Rilke aber in Soglio. Auch wenn ihm die steilen Berge fremd blieben, konnte er sich hier erstmals ein längeres Leben und Schreiben in der Schweiz vorstellen.

Rilkes herausragendes Lyrikwerk «Duineser Elegien»

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Schloss auf Felsklippe am Meer.
Legende: Schloss Duino an der Adriaküste ist Namensgeber für Rilkes Elegien. Der Lyriker hielt sich hier von Oktober 1911 bis Mai 1912 auf. IMAGO / Dreamstime

Die Duineser Elegien sind eine Sammlung von zehn lyrisch-philosophischen Gedichten. Sie changieren zwischen klagenden, melancholische Fragen nach der Sinn des Daseins und Darstellungen von Liebe und Glück. Rainer Maria Rilke schrieb die Gedichte zwischen 1912 und 1922. Der Name der Gedichtsammlung leitet sich vom Schloss Duino an der Adria ab, wo die erste Elegie entstanden ist. Die Duineser Elegien gehören zu den wichtigsten Werken der modernen Lyrik.

Doch seine Gefühle blieben ambivalent: Die Schweiz sei einerseits eine «Rettung vor so vielen Nachwirkungen des Krieges», andererseits fremdelte er mit den «merkwürdige Leute, dicht, hart, undurchdringlich».

Das Wunder von Muzot

Nach weiteren Stationen – unter anderem in Locarno und Berg am Irchel – fand Rilke im Wallis endlich die ersehnte Landschaft und Stille – und sein «Château en Suisse»: das Schloss Muzot, das ein Gönner für ihn erwarb.

Mann in Anzug steht auf einem Balkon neben einem Steinbogen.
Legende: Rainer Maria Rilke in seinem Château de Muzot. In der Nähe des Walliser Orts Veyras fand er Erfüllung und Schaffenskraft. IMAGO / Album

Hier erfasste Rilke im Frühjahr 1922 eine gewaltige schöpferische Welle: In wenigen Tagen schrieb er sechs seiner zehn Elegien wie im Rausch nieder; im selben poetischen Ausbruch entstanden auch die 55 «Sonette an Orpheus».

Später wird Rilke von einem «rätselhaften Diktat» und einer «Sendung» sprechen, die auf Muzot über ihn hineingebrochen sei. Dass er dieses «uralte Manoir finden durfte», sei für ihn ein Wunder gewesen.

Ab 1923 zwangen Rilke starke Schmerzen zu wiederholten Aufenthalten im Sanatorium Val-Mont bei Montreux. Erst spät wurde Leukämie diagnostiziert. Im Dezember 1926 starb Rilke mit 51 Jahren und wurde auf eigenen Wunsch in Raron begraben.

Es sei ein schönes Grab, schrieb seine Vertraute, Nanny Wunderly-Volkart: Rilke habe dort «alle Weite und alles Licht».

Buchhinweis

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Der deutsche Autor Gunnar Decker schildert Rainer Maria Rilkes etappenweise Annäherung an die Schweiz im Buch «Rilke in der Schweiz». In seinem biografischen Essay zeichnet er Rilkes Stationen in der Schweiz anschaulich und zugänglich nach.

Gunnar Decker: «Rilke in der Schweiz». Insel, 2025.

Radio SRF 2, Kulturplatz Talk, 4.12.2025, 9:03 Uhr ; 

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