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250 Jahre Jane Austen Jane Austens Frauenfiguren zeigen, wie man mit Angebern umgeht

Ironie, Witz und eine Prise Gesellschaftskritik zeichnen das Werk der Erfolgsautorin aus. Nun jährt sich ihre Geburt zum 250. Mal. Gelegenheit, ihre Romanfiguren zu ergründen – und ihr englisches Cottage.

Das Dörfchen Chawton in Südwestengland: Silja Aðalsteinsdóttir ist zusammen mit ihrer Enkelin aus Island angereist, um einmal im Leben Haus und Garten der britischen Schriftstellerin Jane Austen zu besuchen.

Die beiden strahlen übers ganze Gesicht. Sie posieren in historischen Röcken, Strohhüten und einem mit Spitzen besetzten Sonnenschirmchen für die Fotografin, die ihre Reisegruppe begleitet.

Besucher vor Jane Austens rotem Backsteinhaus mit Schild im Garten.
Legende: Jane Austens Cottage in England: Authentischer als hier kann man kaum ins Leben der britischen Schriftstellerin eintauchen. SRF/Michael Gerber

«Jane Austen ist eine ausgezeichnete Autorin», schwärmt Silja Aðalsteinsdóttir, «Ihre Bücher sind sehr witzig und unterhaltsam zu lesen – haben aber auch Tiefgang: Man kann viel lernen von Jane Austen.»

Aðalsteinsdóttir kennt Austens Texte bis ins kleinste Detail. Sie hat zwei ihrer Bücher ins Isländische übersetzt. Ihr gefällt, wie unangepasst, ja emanzipatorisch Austen die Figuren in ihren Büchern leben lässt: «Lass dich nicht zu etwas drängen, lautet ihre Botschaft. Denk selbst. Und mach, was dir richtig erscheint. Ist das nicht eine weise Botschaft?»

Person liest ein Buch im Freien.
Legende: Liebesroman und zeitgenössische Studie zugleich: «Pride and Prejudice» von 1813 ist Jane Austens bekanntester Roman. In der 2005er-Verfilmung verkörpert Schauspielerin Keira Knightley die Figur Elizabeth «Lizzie» Bennet. imago images/Everett Collection

Ein Landhaus in England

Jane Austen entdeckt das Schreiben schon als Mädchen, schreibt Briefe, Gedichte und Geschichten. Mit letzteren unterhält sie ihre sechs Brüder und ihre Schwester. Ihre Texte sind voller Ironie, Witz und bringen ihr schriftstellerisches Talent an den Tag.

Nach dem frühen Tod ihres Vaters zieht sie mit Mutter und Schwester 1809 nach Chawton, einem kleinen Dorf im südwestenglischen Hampshire.

In Chawton bringt Jane Austen sechs Romane zu Papier. 1811 findet sie einen Verleger für ihr erstes Buch «Sense and Sensibility». Kurz zuvor hatte Austen einen Heiratsantrag abgelehnt.

«Sie wollte ihren eigenen Weg gehen», sagt Literaturprofessorin Kathryn Sutherland von der Universität Oxford. Sutherland ist Stiftungsrätin des Jane-Austen-Hauses von Chawton und weiss: «Vieles rund um Jane Austen bleibt bis heute geheimnisvoll».

Jane Austen, die Bestseller-Autorin

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  • Jane Austen hat insgesamt sieben Romane geschrieben. Vier davon wurden zu Lebzeiten veröffentlicht – allerdings anonym, «by a Lady». Drei kamen nach ihrem Tod 1817 heraus.
  • Über 30 Millionen Exemplare wurden von Jane Austens Bücher verkauft. Zwei Drittel davon entfallen allein auf «Pride and Prejudice», dessen Erstveröffentlichung 1813 erfolgte.
  • Ihr Erstling war «Sense and Sensibility», erschienen im Jahr 1811.
  • «Wordsrated.com» hat errechnet, dass Jane Austen zu Lebzeiten, umgerechnet auf heute, lediglich rund 76’000 Franken mit ihren Büchern verdient hat.
  • Ihre Familie verdiente mit der Herausgabe der drei noch unveröffentlichten Romane in den 15 Jahren nach ihrem Tod, wohl das Zweieinhalbfache – umgerechnet rund 180’000 Franken.

«Austen will eine andere Zukunft»

Mit dem Zurückweisen des Heiratsantrages sei Austen ein erhebliches, ökonomisches Risiko eingegangen: «Frauen waren in jener Zeit stark von Männern abhängig. Nach dem Tod ihres Vaters war Austen auf finanzielle Zuwendungen ihrer Brüder und anderer männlicher Verwandten angewiesen.»

Nahaufnahme des Buchtitels 'Pride and Prejudice'.
Legende: Jane Austens Romane erscheinen zunächst anonym. Wie «Pride and Prejudice» – geschrieben «vom Autor von ‹Sense and Sensibility›». SRF/Michael Gerber

Trotzdem entschied sich Austen gegen die Heirat – und damit gegen den vorgezeichneten Weg von Familie und Mutterschaft. Sutherland: «Austen will eine andere Zukunft, will als Autorin leben.»

Ihre Bücher erscheinen zuerst anonym, gezeichnet mit «By a Lady» – weil Autorinnen zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgegrenzt werden. Bis zu ihrem frühen Tod, nach kurzer Krankheit, im Sommer 1817 erscheinen vier Romane. Gutes Geld verdient ihre Familie mit den Büchern erst nach ihrem Tod.

Unangepasste Frauenfiguren

Jane Austens Haus in Chawton wird jährlich von rund 40'000 Menschen besucht, die ihre Roman-Figuren lieben. «Sie gibt uns wertvolle Gedankenanstösse – durch ihre starken Frauenfiguren», sagt Lindsay Burley. Die Rentnerin gehört einem Lesezirkel an, der gerade Austens «Emma» bespricht.

Spenden und Souvenirs sichern das Kulturerbe

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Jane Austen hat von 1809 bis 1817 in Chawton, Hampshire, gelebt, zusammen mit Mutter und Schwester.

Das von ihnen bewohnte Haus ist seit 1949 für Besucherinnen und Besucher zugänglich. Darin sind unter anderem Möbel zu sehen, die aus Austens Zeit stammen – darunter Tisch und Stuhl, an denen Autorin Jane Austen gearbeitet haben soll.

Das Haus gehört einer privaten Stiftung, die weitgehend ohne öffentliche Gelder auskommt. Die Stiftung organisiert zahlreiche Führungen, Lesungen und Events. Sie betreibt auch einen Souvenir-Shop, deren Einkünfte dem Erhalt des Jane-Austen-Erbes dienen. «Ein solches Haus zu erhalten, verschlingt viel Geld», sagt Direktorin Lizzie Dunford. «Kürzlich mussten wir das Dach erneuern.»

Die Stiftung beschäftigt insgesamt 15 Personen, was acht Vollzeitstellen entspricht.

«Ihre Frauenfiguren sind alles andere als angepasst. Sie stehen mitten im Leben, sind clever. Wir können von ihnen lernen. Dafür bin ich Austen dankbar», so Burley. Ihre Zwillingsschwester Anita Winn bestätigt: «Austen zeigt auf, wie mit Exzentrikern umzugehen ist. Auch heute gibt es Angeber oder eitle Menschen. Wie zu Jane Austens Zeiten.»

SRF 1, Tagesschau, 24.6.2025, 19:30 Uhr

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