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44. Solothurner Literaturtage Grosse Vielfalt und fesselnde Lyrik in Solothurn: die Bilanz

Das Schweizer «Klassentreffen» für Literaturbegeisterte ist zu Ende. Beeindruckt haben lyrische Bücher, die den Blick auf die Welt erweitern – und die Vielstimmigkeit der Gegenwartsliteratur. Auch der Krieg ging an dem Festival nicht spurlos vorbei.

Die Stimmung an den 44. Solothurner Literaturtagen war freudig, angeregt, ausgelassen. Nach zwei digitalen Ausspielungen fand der grösste mehrsprachige Literaturevent der Schweiz endlich wieder vor Ort mit Publikum statt.

Klassische Formate und ein wenig Livestream

Drei Tage lang drehte sich in Solothurn alles um Bücher und Begegnungen. Nach ersten Hochrechnungen konnten die Organisatoren 18'500 Besucher verzeichnen. Das sind etwas mehr als 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie. Das Publikum hatte grossen Nachholbedarf. Die 140 Veranstaltungen waren gut besucht und es gab vor einigen Veranstaltungen grosse Warteschlagen, nicht alle kamen rein.

Menschen stehen vor einem Bücherregal auf der Strasse.
Legende: Nicht nur zum Schauen, sondern auch zum Schmökern: dazu luden die vielen kleinen Bibliothek in den Gassen Solothurns ein. KEYSTONE / Anthony Anex

Das Programm war vielfältig, mit den rund 80 Autorinnen und Übersetzern, die nach Solothurn eingeladen waren. Viele Programmpunkte konnte man auch via Livestream sehen: Es fanden klassische Lesungen statt, Diskussionsrunden, Branchenveranstaltungen, Übersetzerateliers aber auch experimentellere Formate wie die Heavy Metal Lyrics oder das Spoken-World-Special «Wortknall».  Auch die öffentlichen Gratis-Lesungen auf der neuen Aussenbühne an der St. Ursen-Treppe waren ein grosser Erfolg.

Nebst der umfangreichen Schweizer Werkschau, die nichts vermissen liess, u.a. mit Julia Weber, Yael Inokai, Ariane Koch, Flurin Jecker, Catalin Dorian Florescu, Urs Mannhart, Brigitte Helbling, Milena Moser, Frank Heer – waren renommierte, internationale Gäste da: Wie die amerikanisch-deutsche Autorin Irene Dische oder der französische Autor François-Henri Désérable.

Der Autor Rolf Hermann liest aus einem seiner Bücher bei einer Lesung vor dem Publikum bei der St.Ursen-Kathedrale.
Legende: Lauschen statt lesen: Der Schweizer Autor Rolf Hermann liest aus einem seiner Bücher vor dem Publikum bei der St. Ursen-Kathedrale. KEYSTONE/Anthony Anex

Publikumsmagnet und Höhepunkt war in diesem Jahr der Auftritt von Michael Fehr und die Spoken Poetry Performance von Simone Lappert. Sie beide haben Weltformat, mit dem wie sie ihre Texte zum Klingen bringen. Simone Lappert ist zusammen mit der E-Bassistin Martina Berther aufgetreten und hat alt wie jung mit ihren Gedichten aus «längst fällige verwilderung» begeistert. Das Zusammengehen von Sprache, Rhythmus und Musik hat das Publikum mitgerissen und Denkräume geöffnet, wo man sich beim Zuhören selbst begegnet.

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Ein weiterer Höhepunkt von vielen war die Lesung von Nino Haratischwili. Die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin gab so lebendig und eindringlich Einblicke in ihr Leben und in ihren neuen Roman «Das mangelnde Licht», dass jeder zweite Festivalbesucher mit einem ihrer Bücher im Gepäck nach Hause gefahren ist.

Und dann wurde am Samstag auch die Berner Illustratorin Johanna Schaible für ihr Bilderbuchdebüt «Es war einmal und wird noch lange sein» mit dem dritten Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

Aufruf zur Solidarität

An den diesjährigen Solothurner Literaturtagen war Literatur aus Osteuropa allgegenwärtig. Mit Nino Haratischwili, Rumena Bužarovska, Olga Shparaga, Dušan Šimko, Luljeta Lleshanaku etc.

Auch gab es am Samstag um 18 Uhr eine kurzfristig ins Programm aufgenommene Podiumsdiskussion mit vier Autorinnen aus der Ukraine, Russland und Weissrussland. Es wurde darüber diskutiert, was der Krieg in der Ukraine mit der Sprache macht.

Achtung Lyrik!

Lyrik ist im Aufschwung. Diese Tendenz zeichnete sich an den 44. Solothurner Literaturtagen ab. Mit einer Vielzahl an Neuerscheinungen auch aus der Schweiz, unter anderem von Eva Maria Leuenberger, Levin Westermann, Rolf Hermann, Yari Bernasconi und Simone Lappert.

Das Podiumsgespräch «Achtung Lyrik» im ausverkauften Stadttheater hat diese Tendenz unterstrichen. Drei Vertreter von ganz unterschiedlichen Lyrikformen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen steckten das Publikum mit ihrer Begeisterung für die Kurzform an.

Einziger Wermutstropfen

Der amerikanische Starautor Joshua Cohen hat seine Teilnahme an den Solothurner Literaturtagen kurzfristig absagt. Das war für viele Besucherinnen und Besucher eine Enttäuschung.

Aber auch ohne Joshua Cohen waren die 44. Solothurner Literaturtage ein grosses Fest.

Mehr zu den Solothurner Literaturtagen

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Die 44. Solothurner Literaturtage fanden am Wochenende vom 27. bis 29. Mai 2022, statt – sowohl live vor Ort, mit Publikum in den Veranstaltungsräumen und in den Gassen der Stadt, als auch mit ausgewählten Live-Audiostreams für zu Hause oder unterwegs.

Hier können Sie mehr zu den Solothurner Literaturtagen auf SRF nachhören.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 30.05.2022, 8:06 Uhr

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