Um die deutsche Bestseller-Autorin Caroline Wahl ist eine Debatte entbrannt. Seit Ende August ist ihr neuer Roman «Die Assistentin» draussen, seit etwas mehr als einer Woche läuft die Verfilmung ihres ersten Buchs «22 Bahnen» in den Kinos. Doch spätestens seit dem Filmstart hagelt es Kritik an der Autorin. Warum, erklärt SRF-Literaturredaktor Simon Leuthold.
Worum geht es in der Kritik an Caroline Wahl?
Vor allem scheint es wenig um Literatur zu gehen – sondern viel mehr um Caroline Wahl als Person. Die Frage, die im Moment am heissesten verhandelt wird, ist: «Darf Caroline Wahl das eigentlich?» Zum Beispiel: Darf Caroline Wahl als reiche, privilegierte Autorin über Menschen schreiben, die sehr viel ärmer sind als sie, und darf sie mit diesen Büchern sehr viel Geld verdienen? Oder: Darf sie einen Anspruch auf den deutschen Buchpreis anmelden?
Über diese Fragen streitet man seit Wochen?
Ja, und das scheint ziemlich deplatziert. Vor allem, wenn die Fragen anhand ihrer Stimme oder ihres Äusseren verhandelt werden. Die Antwort auf alle oben aufgezählten Fragen: Natürlich darf sie. Auch als privilegierte Frau über Ärmere schreiben – darf sie. Das ist doch genau die Aufgabe der Fiktion: sich glaubwürdig etwas vorzustellen, das eben nicht einfach dem eigenen Leben entspricht. Ob das Caroline Wahl gelingt, ist eine andere Frage, die sehr legitim wäre – aber um die geht es in diesen Diskussionen nicht, sondern um sie als Person.
Warum polarisiert die Autorin so stark?
Etwa weil sie unverhohlen dazu steht, dass sie mit ihren Büchern richtig viel Erfolg haben will, dass sie damit sehr viel Geld verdient – und gerne den Deutschen Buchpreis gewinnen würde.
Warum beschäftigt diese Debatte die Medien?
Die Kulturteile der Zeitungen sind schlicht überfordert damit, wie erfolgreich Caroline Wahls Bücher sind – und sie sind es nicht gewohnt, mit sogenannter Unterhaltungsliteratur umzugehen. Natürlich gäbe es Möglichkeiten, auch diese literarisch zu kritisieren. Es müssten dafür vielleicht andere Massstäbe her als die der sogenannten Hochliteratur, und das Feuilleton weiss vielleicht schlicht noch nicht, welche das sein könnten – anders als die Leserinnen und Leser.
Was für ein Licht werfen diese Debatten auf den Literaturbetrieb allgemein?
Ein entlarvendes: Sie machen ziemlich altbackene Anschauungsmuster sichtbar – die man gerne mal hinterfragen könnte. Wie viel der Häme, die Caroline Wahl zurzeit kassiert, hat zum Beispiel heimlich doch damit zu tun, dass sie eine Frau ist, die sich traut, sich hinzustellen und zu sagen, was sie will? Oder dass sie Unterhaltungsliteratur schreibt: Für viele in der Branche ist Unterhaltung Kommerz. Sie hat bei der anspruchsvollen Literatur schlicht nichts verloren – und mit diesem Argument kann sich auch die Kulturberichterstattung darum herumdrücken, obwohl die Verkaufszahlen ein Vielfaches höher sind.
Dabei wäre es dringend an der Zeit, dass die Literaturkritik Wege findet, auch über sogenannte Unterhaltungsliteratur angemessen zu berichten und zu diskutieren.