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Gewinnerin Deutscher Buchpreis Dorothee Elmiger: «Ich wollte nicht unbedingt in die Finsternis»

Die Schweizer Autorin Dorothee Elmiger hat den Deutschen Buchpreis gewonnen, mit ihrem Roman «Die Holländerinnen». Darin geht es um eine Schriftstellerin, die im südamerikanischen Dschungel auf den Spuren zweier verschwundener Holländerinnen unterwegs ist. Im Interview mit SRF spricht sie über den Gewinn und ihr Buch.

Dorothee Elmiger

Schriftstellerin

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Dorothee Elmiger, geboren 1985 in der Schweiz, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in New York. Ihre Bücher «Einladung an die Waghalsigen» (2010), «Schlafgänger» (2014) und «Aus der Zuckerfabrik» (2020) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, für die Bühne adaptiert und vielfach ausgezeichnet. Mit dem Roman «Die Holländerinnen» gewann sie 2025 den Deutschen Buchpreis.

SRF: Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Dorothee Elmiger: Ich freue mich. Es ist aber auch erst gerade eben passiert. Was es wirklich bedeuten wird, wird sich zeigen.

Und was bedeutet für Sie der Umstand, dass Sie den Preis auch noch an Ihrem Geburtstag gewonnen haben?

Ach, das hat sich schon herumgesprochen? Ja, das ist irgendwie ein schöner Umstand, aber auch sehr unerwartet.

In der Jurybegründung heisst es, dieses Buch sei ein faszinierender Trip in die Finsternis. Wollten Sie dahin? Und wenn ja, warum?

Ich wollte nicht unbedingt dorthin. Das hat mir auch manchmal Sorgen gemacht, als ich gemerkt habe, wie dunkel der Text ist und wird. Aber man geht ja immer so herum in der Welt und versucht wahrzunehmen, was gerade los ist. So gesehen stimmt es dann für mich.

Wie hängt die Gewalt auf gesellschaftlicher Ebene mit der Gewalt im Kleinsten, in der Familie, in der Sprache, zusammen? Das war einer von vielen Ausgangspunkten.

Auch im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass es irgendwie leider stimmt, dass dieser Text nicht so hoffnungsvoll oder nicht so hell ist.

Was hat Sie denn konkret bewogen, in diese Richtung, in diese Finsternis hinabzusteigen?

Ich glaube schon, dass ich von der Frage der Gewalt ausgegangen bin und der Frage, so wie sie auch Ingeborg Bachmann in ihrem «Todesarten»-Projekt auf andere Art und Weise stellt: Wie verbinden sich die Gewalt auf gesellschaftlich-politischer Ebene mit der Gewalt im Kleinsten, in der Familie, in der Sprache, in Beziehungen? Wie hängen sie zusammen und wie wirken sie sich aus? Das war für mich einer der Ausgangspunkte.

Geht es in dem Buch auch bis zu einem gewissen Punkt um den Widerspruch? Zwischen Zivilisation und Wildnis. In dem Sinne, dass die Aufklärung allmählich wirklich gescheitert ist.

Ja, ich glaube, die Frage, warum wir trotz all unserer Einsichten und Fortschritte immer wieder in wirklich furchtbare Gewalt zurückfallen und warum unsere Verhältnisse und Beziehungen ebenso oft von Gewalt geprägt sind, das hat mich beschäftigt. Unser Verhältnis zur Natur und unsere Versuche, die Natur zu zähmen, zu kontrollieren und auch das Auslagern unserer eigenen unbändigen oder unkontrollierten Seiten ins Äussere, ins Dunkle, wo wir glauben, da lauere etwas.

Das Erzählen selbst ist auch ein grosses Thema: Wie erzählt man überhaupt etwas, macht Kunst aus etwas, das wirklich passiert ist.

Ich glaube, ich habe immer nur die Probleme am Erzählen gesehen. Da hakt man etwas ab, legt es dann beiseite und kann ruhig schlafen gehen. Ich wollte eigentlich eher Fragen stellen. Und die Erzählungen, die so einfach und so rund sind, aufbrechen. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich irgendwie erzählen muss oder will.

Vielleicht war das auch eine Reaktion auf die Gegenwart. Aber dieses Erzählen, das ich jetzt versuche für die Länge eines Textes, das war schon spannend, auch darüber nachzudenken und das zu probieren.

Wo steht das Buch in Ihrem bisherigen Werk für Sie?

Ich glaube, man selbst denkt ganz anders über Texte nach. Sie stehen alle in Verbindung. Aber ich merke immer, dass ich mich auf keinen Fall wiederholen will. Auch in der Form nicht. Ich muss immer vom Nichtverstehen oder Nichtkönnen ausgehen. Und deshalb musste ich vielleicht auch jetzt mal erzählen, weil ich das alles nochmal anders machen musste.

Das Gespräch führte Michael Luisier.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 14.10.2025, 7:06 Uhr ; 

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