SRF: Imbolo Mbue, Sie sind selber eine Immigrantin, Jetzt haben Sie einen Präsidenten, der davon spricht, Mauern zu bauen, um Menschen davon abzuhalten, in die USA zu kommen. Die Zeitung «Washington Post» hat in der Schlagzeile zu ihrem Buch geschrieben: «Das ist ein Roman, den Donald Trump lesen sollte».
Imbolo Mbue: (lacht) Oh ja, das hat die Washington Post tatsächlich geschrieben (lacht weiter) und ich rede im Moment oft über Donald Trump in meinen Interviews.
Wenn Sie könnten, was würden Sie ihm gerne sagen?
Oh Boy, ich würde ihm sagen, dass es in der Diskussion über Immigration mehr Empathie bräuchte. Man sollte den Menschen, die zu uns kommen, sagen: «Erzähl mir mal deine Geschichte.» Und ihnen dann gut zuhören. Stattdessen begegnet man fremden Menschen mit Vorurteilen. Es wird zum Beispiel gesagt: «Oh, diese Mexikaner, die bringen Drogen ins Land, lasst uns eine Mauer bauen.» Ich finde das nicht freundlich.
Es ist der Versuch, einen Keil zwischen Staatsbürger und Immigranten zu treiben. Das schafft soziale Spaltungen und ist auf längere Sicht keine gute Grundlage für ein Land.
In New York City lebe ich in einer Art Kokon.
Das kann man als Ausdruck von Angst sehen ...
Das hat mit Angst vor dem Fremden zu tun. Leute, die so denken und fühlen sagen alle, sie wollten die USA schützen. Ich verstehe, dass man sein Land schützen will. Aber es ist nun mal ein Fakt, dass dieses Land von Immigranten gegründet wurde. Und Immigranten steuern so viel bei zu diesem Land.
Sie sind vor Jahren schon in die USA eingewandert. Heute haben Sie die US-Staatsbürgerschaft. Trotzdem: Hat sich Ihr Leben unter Präsident Donald Trump verändert?
In New York City lebe ich in einer Art Kokon. Ich bin umgeben von liberalen, progressiv eingestellten Menschen. Ich spüre nicht dieselben Ressentiments, wie Immigranten, die in anderen Teilen des Landes leben. Aber ich bin mir dessen bewusst und ich weiss auch, dass da für uns alle etwas ganz Grosses auf dem Spiel steht. Wir müssen sehr aufmerksam sein.
Ich selber habe meinen Job in der Finanzkrise verloren.
In ihrem Romandebüt geht es um ein junges Paar aus Kamerun, das in New York sein Glück sucht. Es lernt aber die harte Wirklichkeit kennen: Armut, Rassismus und ein Leben in der Illegalität. Gaben ihre eigenen Erfahrungen als Immigrantin den Anstoss, dieses Buch zu schreiben?
Nein. Ich bin zwar eine Immigrantin und fühle mich vom Schicksal vieler Eiwanderer betroffen. Ich wollte aber über die Finanzkrise schreiben und wie sie das Leben zweier Familien beeinflusste.
Ich selber habe meinen Job in der Finanzkrise verloren. Da hatte ich Zeit zu beobachten, was das mit den Menschen macht. Auch mit Immigranten schwarzer Hautfarbe. Und so verwandelte sich das Buch schliesslich in eine Geschichte über Immigration.
Das junge Paar im Roman kommt in die USA, weil es sich ein besseres Leben erhofft. Es glaubt an den «American Dream». Und das ist eigentlich das zentrale Thema ihres Romans. Woher kommt dieser Glaube daran?
Die Figuren im Roman denken genauso über die USA, wie ich über die USA dachte, bevor ich hierherkam. Für mich war es eine Art Paradies. Und so denken die meisten in meinem Heimatland.
Wir glauben daran, dass wir im «Land der Freiheit» Möglichkeiten finden, die wir in Kamerun nicht haben. Wir sind überzeugt, dass sich die Armut in nichts auflöse, sobald wir das Land verlassen würden.
Wir in Kamerun glauben nun mal, dass in diesem Land auf den Strassen Milch und Honig fliesst.
Warum ist das heute noch so?
Amerikaner sind so gut darin, der Welt ihre Idee des «American Dream» zu verkaufen. Man hört ja nicht von einem «German Dream» oder vom «Swiss Dream» – es ist der «American Dream». Und wir in Kamerun glauben nun mal, dass in diesem Land auf den Strassen Milch und Honig fliesst.
Die Realität ist natürlich eine andere. Die Leute merken, dass das Leben hier sogar härter sein kann als zu Hause, dass es schlimm ist wenn man in den USA arm ist. Dazu kommt, dass man als schwarze Person in den USA auch noch mit dem Rassismus konfrontiert wird. Das war zu Beginn eine schwierige Erfahrung für mich.
Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen das Leben kann hier härter sein als zuhause. Erleben Sie denn die Armut in den USA anders als in Kamerun?
Die Armut in den USA ist sehr, sehr brutal. Ich bin in einem kleinen Dorf in Afrika aufgewachsen, ohne Strom und fliessend Wasser. Trotzdem war es leichter, mit der Armut umzugehen. Denn du lebst da mit deiner Familie und deinen Freunden. Du musst nicht so lange arbeiten. Und du brauchst nicht so viel Geld.
Die Armut in den USA ist sehr, sehr brutal.
In den USA ist der Überlebenskampf anders. Der Stress ist grösser. Ich war erstaunt, wieviel es braucht, um die grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Du brauchst oft mehrere Jobs gleichzeitig, nur damit du deine Rechnungen bezahlen kannst.
Imbolo Mbue, w ie wichtig ist es für Sie als Autorin Stellung zu beziehen zu sozialen und politischen Fragen?
Ich bin eher vorsichtig damit, meine Meinung öffentlich kund zu tun. Aber jetzt habe ich ein Buch geschrieben, das soziale Probleme thematisiert. Und deswegen muss ich hinstehen und gewisse Dinge sagen. Gerade weil ich eine Immigrantin bin, weil ich schwarz und eine Frau bin.
Sie haben mich eingangs gefragt, was ich Donald Trump sagen würde. Ganz einfach: Ich erzähle ihm meine Geschichte. Leser sagen mir, sie haben nicht gewusst, wie das Leben afrikanischer Immigranten sei. Erst durch diese Geschichte sei es ihnen möglich, sie zu verstehen und mit ihnen zu fühlen. Und ich bin überzeugt, erst wenn man mitfühlt, beginnt man ein besserer Mensch zu werden.
Das Gespräch führte Esther Schneider.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 52 Beste Bücher, 23.4.2017, 11:03