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Panne beim Deutschen Buchpreis Elminger? Die Schweiz gewinnt – Deutschland verhaspelt sich

An der Frankfurter Buchmesse stolpert man über den Nachnamen unserer Buchpreis-Gewinnerin. Es hätte natürlich schlimmer kommen können. Ein «Seitenhiebli».

Stefan Gubser

Kulturredaktor

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Stefan Gubser macht Online-Journalismus, seit es das Internet gibt. Früher befragte der studierte Germanist berühmte Schauspieler. Heute wird er gerne mit einem verwechselt. Aber nur des Namens wegen!

«… Dorothee Elminger für ‹Die Holländerinnen›!» Also feierlich sprach Karin Schmidt-Friderichs, ihres Zeichens Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. In Frankfurt war's, wo am Montagabend der Deutsche Buchpreis zum dritten Mal an die Schweiz ging. Tusch!

Was Dorothee Elminger – eine geborene Elmiger – mit Melinda Nadj Abonji und Kim de l’Horizon seither nicht gemeinsam hat: Nur ihr Name wurde bei der Preisvergabe falsch ausgesprochen. Dabei wären die beiden anderen Schweizer Gewinnenden des Deutschen Buchpreises mit ihren Namen von, nun ja, «undeutscherer» Anmutung eher Stolperfallen gewesen. Über die Problemzone «Personal-Pronomen», die sich bei der non-binären Autorperson Kim ergeben, wollen wir an dieser Stelle lieber gar nicht reden.

Elminger?! Es dürften sich da so einige die Ohren gerieben haben. Karin Schmidt-Friderichs, die genügend Zeit gehabt haben dürfte, unsere neue Buchpreisträgerin fehlerfrei der Welt vorzustellen, schmuggelte kurzerhand ein N in den Nachnamen, vor dem einem nun wirklich nicht Angst und Bange sein müsste. Und Schmidt-Friderichs war nicht allein: Es soll den lieben langen Abend in Frankfurt ganz ordentlich ge-elmingert haben.

Wir können heimlich froh sein, dass aus ‹Elmiger› kein ‹Elmigerli› wurde.

Zur Ehrenrettung aller, die sich zu lange am Buchstabensalatbuffet verlustiert hatten: Der Name Elmiger, so steht es in diesem Internetz, leitet sich von einem Bauernhof namens Elmeringen bei Neudorf im Kanton Luzern ab. Ein bisschen N steckt also drin bei Frau Elmiger, die Wurzeln im Appenzellischen hat, später länger in Berlin lebte (deshalb ihr piekfeines Bühnendeutsch) und jetzt in N wie New York zuhause ist. (Ja, das kommt dann alles an der Prüfung!)

Man kann es aber auch so sehen: Wir können heimlich froh sein, dass aus «Elmiger» kein «Elmigerli» wurde – der sprichwörtliche Bilderbuch-Deutsche verfällt ja gerne einem gut gemeinten Verniedlichungsreflex, sobald er sich sprachlich in die Schweiz verirrt. Ecke: «Wie viele Fränkli kosten ‹Die Holländerinnen› denn bei euch?»

Person überreicht Zertifikat vor deutschem Buchpreis-Schild.
Legende: «Sehen Sie selbst, Frau Elminger – da steht es schwarz auf weiss!», scheint Karin Schmidt-Friderichs (rechts) der Preisträgerin sagen zu wollen. Keystone/DPA/Arne Dedert

Wird man ja wohl noch fragen dürfen, klar doch. Aber Herr und Frau Schweizer sind eben auch geborene «Pünktlischiisser» – und die irritiert es naturgemäss, wenn aus einer Frau Elmiger eine Frau Elminger wird.

Ist das schon kulturelle Aneignung? Oder nur Buchstabentourismus? Egal, Hauptsache, kein Ermelinger. Oder Almiger – weil man im grossen Kanton bei «Schweiz» an Kühe und Käse denken wird, solange die Berge auf Fels gebaut sind.

Wahre Grösse, so lernen wir, zeigt sich im Kleinen. Auch dazu herzliche Gratulation, Frau Elminger.

Andererseits: Man stelle sich vor, aus Günter Grass selig wäre im beschaulichen Schweizerland Günter Krass geworden. Oder der Diogenes-Verlag führte einen Benjamin von Stuckrad-Knarre im Programm. Jenny Erpelbeck! Ein kleiner Shitstorm wäre vorprogrammiert – wetten, dass?

Dorothee Elmiger, die Ausgezeichnete selbst, tat so, als wäre nichts gewesen. Sie bedankte sich und las lächelnd eine Zeile von Tocotronic vor, in der es – irgendwie passend zu allem – um das Unglück ging, das es abzuwenden gelte. Wahre Grösse, so lernen wir, zeigt sich im Kleinen. Auch dazu herzliche Gratulation, Frau Elminger.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 14.10.2025, 7:06 Uhr.

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