SRF: TC Boyle, worum geht es in Ihrem neuesten Roman «Die Terranauten», der nun auf Deutsch erscheint?
TC Boyle: Ich schreibe über das Experiment «biosphere 2» aus den frühen 1990er-Jahren. Vier Männer und vier Frauen haben sich zwei Jahre eingeschlossen in einem 1.3 Hektar grossen Terrain. Ein künstliches Biotop. Sie wollten eine andere Biosphäre schaffen – unter idealen Bedingungen. Zusätzlich zur Biosphäre 1, der Erde. Als Autor, der oft über ökologische Themen schreibt, war das natürlich perfekt für mich.
Was reizte Sie besonders an dem Stoff: das Experiment oder das, was in der Gruppe passierte?
Beides. Mich reizte die Gruppendynamik und dass es fast eine Art Kult war. Ich schreibe viel über kleine Gruppen und Kults. Und über Gurus, die diese Gruppen kontrollieren und quälen. In diesem Buch ist das «Mission Control», wie Big Brother. Alles was die Crew in ihrem Biotop macht, im Buch heisst es «ecosphere2», ist wie ein Film.
Es gibt eine Menge Touristen, die durch die Scheiben von aussen alles beobachten. Alles ist komplett unter Kontrolle. Und auf der anderen Seite ist die Crew drinnen eingeschlossen. Andererseits, was kann ihnen schon passieren? Das Glashaus wird geöffnet und ein Mitglied heraus genommen. Das gibt den Teilnehmern des Experiments auch eine Freiheit.
Wenn unser Lebensraum zusammenbricht, was passiert dann mit uns?
Aber warum liessen sich die acht Wissenschaftler überhaupt für zwei Jahre einsperren?
Ich glaube, sie waren aufrichtig motiviert, getragen vom Wunsch an diesem ökologischen Experiment dabei zu sein. Gelingt es uns, eine neue Welt zu erschaffen? Ja, sie erschufen eine neue Welt. Aber ist die wirklich nachhaltig? Klar, wenn Du 100 Milliarden investierst in Elektronik und Baukosten, sicher, dann können acht Menschen darin überleben.
Aber was ist mit uns anderen auf der Welt? Wenn unser Lebensraum zusammenbricht, was passiert dann mit uns? Was ist mit der Evolution? Mit der Biosphäre 1, der Erde, in der wir leben. Es ist wohl kaum möglich, die zu kopieren.
Sie beschreiben in Ihrem Buch «Die Terranauten» die zwei Jahre Einschluss in dem künstlichen Biotop aus Sicht von zwei Crewmitgliedern, die drin sind. Und aus Sicht einer Kandidatin, die ebenfalls in der Vorauswahl war, nicht hinein durfte und nun, von aussen, die anderen Crewmitglieder beobachtet und kontrolliert.
Ja, das erlaubte mir sowohl die Innen-, als auch die Aussensicht einzunehmen. Mir wurde klar, dass die Schwachstelle des Experiments das Team selbst ist. So wie wir wissen, dass Astronauten in ihren Raumstationen oft einen Koller kriegen.
Sich immer und immer wieder dieselben Geschichten erzählen... Das macht einen doch verrückt.
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Oder stellen Sie sich vor sie verbringen, als Wissenschaftler in der Antarktis sechs Monate in einem kleinen Team. Oder in einer Kleinstadt, wo man sich nah auf die Pelle rückt und sich immer und immer wieder dieselben Geschichten erzählt. Das macht einen doch verrückt.
Was tun Sie selbst, um die Welt etwas idealer zu machen?
Nun, ich liebe jeden, besonders die Leser meiner Bücher. Aber im Ernst: Ich denke die Welt könnte ruhig ein paar weniger von uns haben, aber das wird natürlich nicht passieren, solange nicht irgendeine grosse Katastrophe passiert.
Sehen Sie überhaupt keine Hoffnung?
Ich wünschte ich könnte sagen alles wird gut. Die Menschen sagen, dass sie den Planeten retten wollen. Aber was man wirklich tun kann ist, die Bedingungen zu retten, die es uns Menschen erlauben zu wachsen und zu gedeihen. Aber Tatsache ist, wir zerstören ihn.
Das Gespräch führte Priscilla Imboden, editiert wurde es von Uta Kenter.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 4.01.2017 um 22:25 Uhr