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Eine App generiert Hits Ihr Weg in die Charts führt über Tiktok

Welcher Song landet in den Charts? Nicht mehr grosse Labels bestimmen über den Erfolg von Musikerinnen. Was auf der chinesischen Musik-App Tiktok trendet, findet mit Sicherheit wenig später auch seinen Platz in den Charts. Doch geht diese Rechnung immer auf?

Die Lieder heissen «As it was», «Wildberry Lillet» oder «Sunroof», kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und Genres und haben eins gemeinsam: Bevor sie später hohe Chartplatzierungen erreichten, wurden kleine Ausschnitte dieser Lieder zuerst auf Tiktok verbreitet, von wo aus sie viral gingen.

Mit Algorithmen in die Charts

Millionen Videos, auf denen getanzt oder vom Urlaub geschwärmt wird, Millionen Videos vom Alltag junger Menschen, alle unterlegt mit einer passenden Melodie: Willkommen auf Tiktok, der chinesischen Socialmedia-App, die gerade die Musikbranche umkrempelt.

Die simple Idee: Je mehr Videos, desto beliebter das jeweils eingebettete Lied. Algorithmen treiben die Streams hoch und die Käufe an, bis das Stück Wochen später in den Charts landet. In etwa so lässt sich die Entwicklung eines klassischen Tiktok-Hits beschreiben.

Auf der Plattform bewegt sich vor allem die junge Generation, die grösste Nutzergruppe sind junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Ihr Anspruch: Sie möchten schnell konsumierbaren Content, mit dem sie sich identifizieren können, sagt Anja Lapčević, Co-CEO der Agentur Kingfluencers: «Musik ist der Kern von Tiktok, Musik begleitet uns ständig und triggert Emotionen in uns. Tiktok hat es geschafft, dass die Leute ihre Emotionen zu verschiedenen Songs hochladen.»

Sei dein eigenes Label!

Für Künstlerinnen und Künstler führt demnach kein Weg mehr an Tiktok vorbei. Musiklabels nutzen die App schon länger, sagt Yanik Stebler, Chef vom Schweizer Musiklabel «No Hook»: «Als ich gesehen habe, welche Songs dank Tiktok plötzlich Millionen von Streams erreichten und in die Charts katapultiert wurden, wusste ich, wie relevant die App ist».

Junge Mitt-Zwanzigerin steht auf der Bühne und winkt dem Publikum zu. Sie trägt eine rosa Hose und ein buntes Hemd.
Legende: Naomi Lareine, eine der vielversprechendsten R'n'B-Sängerinnen der Schweiz, möchte Tiktok nicht mehr missen. Zu wichtig sei die App mittlerweile für sie. IMAGO/Gonzales Photo

Aber nicht alle Artists seien gleich begeistert davon, eine weitere Plattform zu bespielen sei schliesslich ein Aufwand. Auch Naomi Lareine, R’nB’-Sängerin aus Zürich, musste sich zuerst daran gewöhnen: «Ganz am Anfang musste mich mein Management ziemlich pushen, ich habe es nicht so ernst genommen. Aber dann habe ich mich langsam an die Plattform herangetastet, und mittlerweile macht es mir Spass».

Nun kreiert Lareine ihre eigenen Videos, mit ihren eigenen Songs unterlegt. Die Künstlerin ist überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt: «Ein Song kann jederzeit richtig viral gehen, und plötzlich landet man in den Charts.»

Rezept für den Weltruhm?

Der nächste logische Schritt: einen Tiktok-Hit schreiben. Leichter gesagt als getan. Doch wie wird ein Song zum Tiktok-Hit? Ein Rezept für die schnelllebige Welt gebe es zwar nicht, meint Anja Lapčević. Aber: «Artists müssen auf jeden Fall authentisch sein und ihre eigene Community gut kennen. Dann können sie auch heraus spüren, welche Art von Musik und Content gut ankommt.»

Aus musikalischer Sicht braucht es vor allem einen kurzen Earcatcher, unter Umständen dauert dieser bloss 15 Sekunden, erklärt Label-Betreiber Yanik Stebler. «Aber natürlich muss das gesamte Lied gut sein. Sonst bringt alles nichts. Die Leute müssen anhand des Ausschnitts Bock haben, eigene Videos dazu zu machen.»

Den Rest erledigen die Algorithmen – in chinesischen Rechenzentren.

Radio SRF 3, Sounds! Story, 11.1.2023, 20:03 Uhr

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