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Internet-Musikphänomen Was hinter dem Hyperpop-Hype steckt

Hyperpop boomt auf TikTok. Was hat es damit auf sich? Und weshalb erleben das vor allem queere Jugendliche als Befreiung?

Und auf einmal kommt der Klang des Untergrunds ausgerechnet im Gewand des Pop daher. Seit Anfang der Corona-Pandemie boomt auf TikTok ein Musikgenre, das ihn sogar schon im Namen trägt: Hyperpop.

Alles ist erlaubt

Hyperpop-Songs sind kurz und schnell, die Bässe verzerrt und die Stimmen so hoch gepitcht, dass sich die Sängerinnen und Sänger wie Zeichentrickfiguren anhören. Gleichzeitig haben die Refrains in bester Pop-Manier oft Ohrwurm-Charakter.

Das Genre ist so etwas wie eine Karikatur von Popmusik. Es spielt mit Versatzstücken der Musiktrend der Jahrtausendwende, von Britney Spears über Rave-Musik bis zu Nu Metal. Alles ist erlaubt, solange es möglichst eklektisch klingt.

Sound einer queeren Gegenkultur

Viele «Hyperpopper» gehören zur Generation Z. Sie wuchsen mit der Popmusik der Nullerjahre auf, die sie nun zitieren. Die meisten veröffentlichen ohne Label direkt auf der Plattform Soundcloud. Etwa der erst 17-jährige Elyotto: Sein Song «SugarCrash!» wurde bis jetzt in sechseinhalb Millionen TikTok-Videos verwendet.

In den USA hat es das Genre inzwischen in die Feuilletons geschafft. Die New York Times widmet ihm ganze Seiten. Die Debattenzeitschrift «The Atlantic» spekuliert sogar, Hyperpop könne «der Gegenkultur-Sound der 2020er-Jahre» werden.

Spiel mit Identitäten

Tatsächlich wird Hyperpop vor allem von Menschen produziert, die sich mit der Mehrheitsgesellschaft nicht immer identifizieren. Ein Grossteil ist trans oder nonbinär. Elyotto etwa hat sich als trans geoutet. Das Gleiche gilt für Laura Les, die eine Hälfte des erfolgreichen Hyperpop-Duos 100 gecs.

Dass viele der Musikerinnen und Musiker queer sind, schlägt sich auch musikalisch nieder. Die Stimmverzerrungen etwa dienen häufig dem Spiel mit Geschlechteridentitäten.

Ironie und Parodie

Auch in den Texten zeigt sich eine Gender-Thematik. Zum Beispiel bei der im letzten Jahr tödlich verunglückten Hyperpop-Pionierin SOPHIE. In Liedern wie «Immaterial» setzt sie sich mit dem Verhältnis von Geschlecht und Körper auseinander oder beschreibt, wie in einer digitalen Welt Identitäten fluider werden.

Manche Hyperpop-Musikschaffende arbeiten auch mit dem Mittel der Ironie und Übertreibung. Das zeigt sich etwa bei Dorian Electra.

Die Songs der genderfluiden Person parodieren neben Männlichkeitsvorstellungen auch homophobe und queerfeindliche Verschwörungstheorien. Zum Beispiel die abstruse Behauptung, die US-Regierung würde das Trinkwasser mit Hormonen versetzen, um die Bevölkerung homosexuell zu machen.

Der weisse Hetero-Mann ist dabei für Hyperpop-Musikschaffende eine ähnliche Kontrastfigur wie einst der brave Bürger für die Punks. Dorian Electra macht sich einem Song über männliche Karrieristen lustig, während 100 gecs etwa die männliche Identifikation mit dem eigenen Auto thematisieren.

Musik für die Generation Z

Weil sie vor allem für das Internet gemacht werden, spiegeln Hyperpop-Songs auch das Leben der Generation Z, das sich seit der Corona-Pandemie noch stärker online abspielt. Ob dem Genre der Sprung in den Mainstream gelingt, bleibt dennoch abzuwarten. Zumindest die gleichnamige Spotify-Playlist wächst ständig.

Gerade scheint der Hyperpop-Trend in die Schweiz überzuschwappen: Im Zürcher Theater Neumarkt wird derzeit eine «Hyper-Pop-Oper» unter der Mitwirkung des Musikers Faber gezeigt. Sie ist bereits ausgebucht.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 26.01.2021, 6:54 Uhr

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