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Geigerin Pia Signer-Dobler «Hauptsache, es wird wieder mehr gute Volksmusik gemacht»

Sie spielt seit Kindesbeinen Geige und steht für die traditionelle Appenzeller Streichmusik ein: Pia Signer-Dobler. Die Volksmusikerin prägt die bekannte «Striichmusig Alperösli» und führt in Appenzell-Innerhoden das Erbe ihres Grossvaters weiter.

Kaffee ist nicht Pia Signer-Doblers Lieblingsgetränk, «aber heute ist ein besonderer Tag. Ich führe am Abend zum ersten Mal eine Stubete an. Das macht ein wenig Lampenfieber und dann empfiehlt sich eine Tasse Kaffee.»

Die Geige vom Grossvater

Pia Signer-Dobler trinkt aus und öffnet den auf dem Tisch liegenden Geigenkasten. Das gold-braune Instrument hat Gebrauchsspuren und erzählt Familiengeschichte.

Die Geige wird seit Jahrzehnten regelmässig gespielt. Heute von Pia, die mit dem Instrument eng verbunden ist und die Klangschönheit und die leichte Ansprache schätzt, früher von ihrem Grossvater Josef Dobler (1925–2008).

Der Bauer, Volksmusiker und Komponist schrieb als «Hornsepp» Geschichte. Ihm ist es zu verdanken, dass die für Appenzell typische Streichmusik in der Region wieder Fuss fasste.

Eine fünfköpfige Gruppe posiert mit Appenzeller-Trachten für ein Foto.
Legende: Pia Signer-Dobler (ganz rechts) führt das musikalische Erbe des Grossvaters weiter. zvg

In den 1920er Jahren drängten Akkordeon und Klarinette auf die Bühnen und die traditionelle Besetzung mit einer oder zwei Geigen sowie Hackbrett, Cello und Kontrabass drohte zu verschwinden. Josef Dobler gründete die legendär gewordene «Kappelle Hornsepp» und verhalf der Tradition in der Nachkriegszeit zu neuer Blüte. Ausserdem schrieb er über hundert Melodien.

Kinder und Enkel leben das Erbe

Seine Kinder und Enkel pflegen seinen Stil und das Repertoire, dem sie, je nach Neigung, neue Töne hinzufügen. Enkelin Pia bekennt sich ohne Umschweife zur «ganz traditionellen» Volksmusik.

«Ich bin dort zu Hause und habe viele Melodien noch von meinem Grossvater gelernt. Als kleines Mädchen nach Gehör, später auch ab Noten.»

Boom der Volksmusik

Die so genannt «Neue Schweizer Volksmusik» boomt, denn Grenzen werden gesprengt und Mythen in Frage gestellt. Pia Dobler-Signer nimmt diese Bewegung zur Kenntnis, schliesslich profitierte auch sie von der anderen Seite.

Volksmusikkapelle aus dem Appenzell.
Legende: Pia Signer-Dobler (hinten rechts) spielt auf der selben Geige, auf der bereits ihr Grossvater musizierte. SRF

Die solide Grundlage des Geigens hatte ihr ein klassischer Berufsmusiker vermittelt. «Die Vielfalt ist wichtig. Hauptsache ist, es wird wieder mehr gute Volksmusik gemacht.»

Zwist der Verbände

Diese Offenheit findet sich längst nicht überall in der traditionell verankerten Szene. Während sich etwa der Verband Schweizer Volksmusik offensiv für das Neue einsetzt, tut sich der Eidgenössische Jodlerverband schwer mit den jüngsten Entwicklungen.

Jodel als neues Hauptfach an der Hochschule für Musik Luzern spaltet die Geister. Pia Signer-Dobler findet «diese Neuerung gut und ich bin gespannt, was das bewirken wird».

Seit fast 30 Jahren eine ähnliche Besetzung

Pia Signer-Dobler tritt seit bald 30 Jahren im Familienverband auf: zuerst in der «Goofe-Striichmusig» – «bei uns ist Goof kein Schimpfwort, sondern meint im Dialekt ganz einfach ein Kind», erklärt die Geigerin lachend. Seit 1990 heisst die Truppe Striichmusig Alperösli und spielt heute in der fast derselben Besetzung wie damals.

Serie: Kultour de Suisse

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Hier finden Sie alle bisherigen Folgen der Kultour de Suisse.

Viele hundert Male sind sie zusammen aufgetreten, und doch findet an diesem Frühsommerabend im Roothuus Gonten eine Premiere statt. Pia führt zum ersten Mal eine Stubete an.

Vermittlerin, die dem Publikum den Puls fühlt

Eine Stubete anzuführen bedeutet: Sie begrüsst die Gäste, die wechselweise plaudern, anstossen, zuhören oder tanzen wollen, sie stellt die Gastmusiker vor, die entweder im Alperösli mitspielen oder aber mit der eigenen Musik auftreten werden, sie sagt die Stücke an.

Das Roothuus in Gonten
Legende: Das Roothuus in Gonten ist ein Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik. Wikimedia/ Schofför

Damit wird sie zur Vermittlerin, die dem Publikum den Puls fühlt. Jetzt passt ein Schottisch, später setzt ein Walzer die Tanzbeine in Bewegung, am Schluss spielt die Striichmusig Dobler, deren Jüngste zehn Jahre alt ist und zupackend Cello spielt.

Vierfachbelastung

Pia Signer-Dobler bringt Musik, Familie, Teilzeitarbeit und neuerdings ein öffentliches Mandat unter einen Hut. Seit Mai dieses Jahres ist sie Mitglied der Rechnungsprüfungskommission im Bezirksrat.

Bleibt bei dem Pensum genug Zeit zum Üben? «Wir proben beim Auftritt», sagt sie augenzwinkernd und packt die Geige ein.

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