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Eine Frau mit Brille sitzt auf einem Stuhl und scheint mit ihren Händen zu sagen: bitte mehr!
Legende: Hat ihr Ziel nie aus den Augen verloren: Nadja Räss, die Jodlerin mit dem ansteckenden Lachen. Daniel Ammann

Kulturerbe pflegen Jodel darf ruhig auch mal rocken

Nadja Räss ist eine der vielseitigsten Jodlerinnen der Schweiz. Nur Überliefertes nachzusingen kommt für sie nicht infrage.

«Man sagt mir, dass ich gesungen habe bevor ich überhaupt gesprochen habe. Und dass ich als Mädchen immer gejodelt habe», erzählt Nadja Räss und lacht ihr ansteckendes Lachen.

Serie «Das Kulturerbe»

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Tatsächlich: ihre Mutter hörte allenthalben das «Pragelchörli» – ein urchiger Jodelchor aus dem Muothatal – und ihr Vater pflegte und beherrschte als Appenzeller das Zäuerle. In diesen Musikwelten ist Nadja Räss also aufgewachsen.

Ein Ziel: Jodlerin

Als Sechsjährige ging Klein-Nadja zum Jodelunterricht, denn sie wusste haargenau, was sie einmal werden wollte: Jodlerin. «Ich habe das Ziel nie aus den Augen verloren, denn das Jodeln ist einfach in mir drin», sagt die 38-Jährige.

Später studierte sie an der Hochschule Musik und Theater in Zürich klassischen Gesang und musste sich immer wieder anhören, dass das Jodeln die Stimme kaputt mache.

Natürlich weiss es Nadja Räss besser. Die Stimme sieht sie als Instrument. Und wenn dieses Instrument richtig behandelt und genutzt werde, nehme die Stimme keinen Schaden. Mit einer Jodelstimme und einer klassischen Stimme zu arbeiten, ist für sie eine Bereicherung.

Das Jodeln wird zum Gebet

Räss‘ Liebe zum Naturjodel Juutz – also zum Jodel ohne Text – ist gross. Es berühre sie, alte Naturjodler zu hören, die ihre Zäuerli oder Rugguserli jahrzehntelang immer gleich singen, so wie sie es vom Vater und Grossvater gelernt hätten. Das Jodeln werde so zum Gebet, erzählt Räss.

Eine Kamera filmt Nadja Räss beim Jodeln mit Kindern.
Legende: Sie soll sogar gejodelt haben, bevor sie sprechen konnte: Nadja Räss – hier im Kreise der JodelGirls. SRF

Wobei es für sie nicht infrage komme, nur Überliefertes nachzusingen. Weil Nadja Räss selbst tief im Kulturerbe des Jodels verwurzelt ist, steht ihr die weite Welt des Experimentierens und Auslotens offen.

So kann ihr Jodel modern, schräg und rockig daherkommen, ohne aufgesetzt und gekünstelt zu wirken, obwohl hartgesottene Jodler des Schweizer Jodlerverbandes anfänglich die Nase rümpften und keine Freude hatten an den Experimenten der jungen, kecken Jodlerin.

#Kulturerbe2018

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2018 ist Europäisches Kulturerbejahr . 28 Länder beteiligen sich daran, auch die Schweiz. Die Initiative lenkt die Aufmerksamkeit auf die Leistungen des kulturellen Erbes für die Gesellschaft.

Ein Baum mit tiefen Wurzeln

Der Bezug zur Tradition scheint das A und O zu sein. Nadja Räss bringt es mit einem Vergleich so auf den Punkt: «Ein Baum, der tiefe Wurzeln hat, kann auch viele Früchte tragen.»

Um neue Früchte ernten zu können, heckt Räss neue Projekte mit engagierten Musikern und Sängerinnen aus. Etwa mit der ukrainischen Sängerin Marina Sadovska und Outi Pulkkinen aus Finnland. Die drei Sängerinnen lassen den osteuropäischen Kehlkopfgesang, den finnischen Runengesang und den Schweizer Jodel in einen aufregenden Dialog treten.

Jodeln und strahlen

Nadja Räss ist ein Energiebündel und eine Botschafterin eines musikalischen Kulturerbes. Wenn sie vor einem Konzert einen dreiviertelstündigen Jodel-Crash-Kurs anbietet, kommen die Konzertbesucherinnen und –besucher in Scharen.

Alle hängen an ihren Lippen, machen jede Übung mit und probieren den wunderlichen Sprung zwischen Kopf- und Bruststimme aus. Wenn die Teilnehmenden am Schluss ordentlich «gradhebed», während einige Mutige gemeinsam mit Nadja Räss losjodeln, strahlen alle.

Damit hat Nadja Räss erneut den Beweis geliefert, dass Singen und insbesondere das Jodeln glücklich macht.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 12.1.2018, 08:20 Uhr

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