Ist das jetzt Deep House oder Future House? Es ist der Drang von Journalisten immer alles kategorisieren zu wollen. Doch so schön die Vorstellung von einer grenzenlosen Musik auch ist: Kein Gespräch über Musik lässt sich ohne Schubladen führen.
Musik ohne Schubladen
Nicht einmal mit einem, der von sich selbst sagt: «Ich mache Post-Genre Musik», eine Musik also fernab von Kategorien. Die Rede ist von dem in New York lebenden Komponisten William Brittelle.
Artikel zum Thema
William Brittelle ist 39 und mit Heavy Metal und Hip Hop, mit Jazz und Klassik aufgewachsen. Heute sind seine musikalischen Mentoren David Del Tredici, Pulitzer Preis-Gewinner und Pionier der neo-romantischen Musik, der Pianist Mike Longo und der Punkgitarrist Richard Lloyd.
Alban Bergs «Lulu» als «lebensverändernde Erfahrung»
«Ich vermische alles und alle Stile sind gleichwertig», erklärt Brittelle. Vor kurzem hat er an der New Yorker Met Alban Bergs Oper «Lulu» zum ersten Mal gehört. «Das war eine lebensverändernde Erfahrung. Für mich eine Art Komponieren auf Steroiden. Keine Repetition, einfach Musik, die dich vorwärtspusht.»
Diesen Kompositionsstil hat er auch ins Oratorium «Oh, Albert» einfliessen lassen. «Damit habe ich versucht, die Musik in einem Traumzustand zu halten und darin von einem Thema ins andere überzuleiten.»
«‹Oh, Albert› fühlt sich einfach an wie ein ganz eigenes Ding»
Dazu erklingen musikalische Elemente aus 60ties-Rock, psychedelischer Musik, Popmusik oder Krautrock». Wobei – mit der Kategorie Oratorium habe er Mühe. Das überrascht nicht: Sowohl Stile wie Gattungen passen nicht zu Post-Genre Music. «‹Oh, Albert› fühlt sich einfach an wie ein ganz eigenes Ding».
LSD: Vom Versuchskaninchen zur Königin von Woodstock
Das Oratorium verhandelt die wechsel- und leidvolle Geschichte von Alice, der Personifizierung von LSD. 50 Jahre lebte sie im Untergrund und kehrt nun in ihre Geburtsstadt Basel zurück.
Beiträge zum Thema
Hier verhandelt sie ihre Vergangenheit als Versuchskaninchen der CIA und als Königin von Woodstock. Und hier trifft sie auf ihr digitales Ich, mit dem sie ein Gespräch über Freiheit, Konsum und digitale Grenzenlosigkeit führt.
Komponieren über Skype
Dass sich auch Elia Rediger und William Brittelle in der digitalen Welt begegnet sind, passt dazu. Freunde haben den Kontakt hergestellt – komponiert haben die beiden aber ausschliesslich via Skype.
«Er hat mir Ideen geschickt, Gerüste. Dann habe ich darauf Klänge gepackt und wieder zurückgeschickt und so ging das Hin und Her.» Erst vor vier Tagen haben sie sich zum ersten Mal in der realen Welt getroffen.
Elia Rediger schrieb die Texte und die Songs, William Brittelle hatte freie Hand, was den Sound fürs Orchester anbelangt.
Kein psychedelisches Klangklischee
Und das ist nicht einfach ein psychedelisches Klangklischee – doch der Rausch ist nicht ganz von der Hand zu weisen: «Ich versuche den traditionellen Orchesterklang zu verbiegen, zu verzwirnen und zu brechen. In diesem Sinne, ja, meine Musik ist in dieser Hinsicht eine Art LSD-Trip.»
Er vertont die LSD-Geschichte vielmehr aus emotionaler Sicht. William Brittelle macht keinen Hehl daraus, dass er LSD schon probiert hat:
«Meine LSD-Erfahrung war extrem kraftvoll. Und wann immer du eine kraftvolle Erfahrung hast, passieren wundervolle Sachen, aber auch furchteinflössende, fast ein bisschen wie im Leben selbst. Das eine geht nicht ohne das andere. Genau das will ich in der Musik widergeben.»