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Stephan Eichers «Matter-Album» Von Tarantino bis Porno: Stephan Eicher renoviert Mani Matter

Braucht die Welt noch ein Matter-Cover-Album? Stephan Eicher serviert es uns so oder so. Mani Matters Texte spielen auf «Kunscht isch geng es Risiko» für einmal aber die Nebenrolle.

Strenggenommen ist es gar kein Stephan Eicher-Album. Da steht zwar Eicher drauf, drin ist aber Mani Matter – und vor allem: Roman Nowka.

«Ein Ausnahmegitarrist» sei der 43-jährige Nowka aus Biel, so Stephan Eicher. Ein «gefährliches Rennpferd von einem Musiker», das auf der Bühne jederzeit ausbüxen kann. Spannende Ausgangslage, um den Boden des Schweizer Liedguts umzupflügen.

Eicher folgt auf Endo

Roman Nowka und seine Band experimentieren seit Jahren mit Matter-Songs. Nowkas Gitarrenspiel verdreht sie in Surf-Rock-Chansons. Er kitzelt an den einfachen Harmonien, bis ihnen Tarantino-Soundtrack-Qualitäten entspringen.

Die Texte lässt er anfangs von Endo Anaconda singen. Nach dessen Tod kommt 2022 Stephan Eicher ins Spiel.

Kunst ist Risiko

32 Jahre nach seiner berühmten Interpretation von «Hemmige» singt Eicher also wieder Matter. Eicher und Matter – ein allzu sicherer Wert? «Hoffentlich nicht, die Leute haben doch genug von Matter-Jubiläen und von mir sowieso», kontert Eicher elegant und zwirbelt seinen Schnurrbart.

Die neue Matter-Hommage beginnt ja nicht mal mit Matter. Der erste Song des Albums heisst zwar «Chue am Waldrand», wird aber ohne den Matter-Songtext aufgenommen. Dafür zitiert Roman Nowkas Gitarre das Guggisberglied , das älteste Schweizer Volkslied – und macht daraus einen Spaghetti-Western für die Ohren.

Matter als Cowboy

Stephan Eicher und Mani Matters Texte tauchen erst beim zweiten Song auf. Was bleibt, ist die Luft des Wilden Westens. Vom «schielenden Lotti» bis zum «Zundhölzli»: Mani wird in Americana gekleidet. Was dabei fasziniert, ist die spielerische Freude, mit der diese Songs in neues Licht gerückt werden.

vier Menschen sitzen auf einer Bank
Legende: Simon Gerber, Lionel Friedli, Roman Nowka und Stephan Eicher: das Quartett, das Matter neu zelebriert. Tabea Hüberli

«Auf der Bühne höre ich manchmal den drei Musikern zu und vergesse zu singen», sagt Eicher. Diese Haltung tut den 19 Neuinterpretationen gut. Ausgerechnet der sparsame Einsatz von Text haucht den Matter-Songs neues Leben ein.

Meet the band: Wer sind Roman Nowka's Hot 3?

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Roman Nowka (Gitarre) ist Multiinstrumentalist, Komponist und Produzent, aufgewachsen in Los Angeles, lebt in Biel.

Lionel Friedli (Drums), experimentierfreudiger Jazz-Schlagzeuger, Schweizer Musikpreisträger, geboren in Moutier, lebt in Biel.

Simon Gerber (Bass), in diversen Formationen am Bass, von Free Jazz bis Hip-Hop, aus Biel.

«Hemmige» wird Porno

Der wohl prägnanteste Song auf dem Album ist eine «Pornoversion» von «Hemmige». In den 1990er-Jahren brachte dieser Song Eicher-Fans in Paris dazu, Schweizerdeutsch zu singen, nun erinnert er an die Tonspur eines Sexfilms.

«Roman Nowka schickte mir diese Aufnahme, die wie die Musik eines tschechischen Pornos klingt.» Den Steilpass nimmt Eicher an, und spricht den Text im Stil von Alain Delon oder Serge Gainsbourg auf den Track.

«Eskimo» bleibt «Eskimo»

Darf man «Eskimo» heute noch singen? Und müsste der Text von «Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama» nicht angepasst werden? «Ich fände es wirklich traurig, wenn man diese Texte umschreiben würde», so Eicher.

«Es gab eine Zeit, in der wir alle glaubten, die Erde sei flach. Dennoch wird dieser Moment nicht aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Wichtig ist, dass wir uns darüber unterhalten und uns dem Kontext bewusst sind, in dem diese Texte entstanden sind.»

Matter ist überall

Das Album «Kunscht isch geng es Risiko» beweist, dass Matter mehr ist als nur Text-Denkmal. Seine Songs bieten das Zeug zur musikalischen Weltreise. Da trifft der «Eisbär» von Grauzone auf den «Eskimo», da stranden «Hansjakobli und Babettli» in einer Soulfunk-Bar in Chicago und dort hallt «Lambada» durch die Provinz-Bahnhöfe.

Dieses Album vermählt Schweizer Liedgut mit der Welt. Und braucht sie das, die Welt, Herr Eicher? «Nein, es ist reiner Luxus. Aber die Schweiz hat genug Zeit und Geld für ein bisschen Luxus.»

Radio SRF 1, Swissmade, 2.12.23, 15:53 Uhr

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