- Als Ronald Reagan vor 36 Jahren vereidigt wird, sind die USA zutiefst gedemütigt .
- Grund für die Demütigung: In Teheran ist die US-Botschaft besetzt , amerikanische Geiseln werden genommen.
- Heute gilt Reagan vielen Konservativen als bester Präsident der USA – seine Gegner kritisieren, dass seine Politik vor allem den Reichen diente .
Feier und Verzweiflung
An jenem 20. Januar 1981 bündelt sich Geschichte: Ronald Reagan bereitet sich auf Vereidigung und Amtsantritt vor. Zur gleichen Zeit verhandelt sein Vorgänger Jimmy Carter und dessen Vize verzweifelt mit Iran.
Dort sitzen damals seit 444 Tagen 52 Personen diplomatischen Personals als Geiseln fest. Die Geiselnahme ist eines der grössten amerikanischen Traumata.
Der böse amerikanische Traum
Ausgelöst wird dieses Trauma über ein Jahr vorher durch das Engagement Amerikas für den gestürzten Schah von Persien, der zu einer medizinischen Behandlung in die USA reisen soll. Tumulte in Iran sind die Folge.
Am 4. November 1979 wird in Teheran die amerikanischen Botschaft besetzt und amerikanische Geiseln genommen. Der Administration Jimmy Carters gelingt keine diplomatische Lösung zur Befreiung der Geiseln.
Eine Demütigung mit Folgen
In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1980: Amerikanischer Spezialeinheiten landen in Iran. Das Unternehmen endet im Desaster: Eine Maschine stürzt ab, acht Mann kommen ums Leben, die Leichname werden öffentlich zur Schau gestellt.
Die amerikanische Nation ist gedemütigt wie nie zuvor. Diese Demütigung wird von politischen Beobachtern der Zeit als der ausschlaggebende Faktor für die Wahlniederlage Jimmy Carters gesehen.
Der B-Movie-Schauspieler
Kritiker sehen in Reagan, dem konservativen Gouverneur aus Kalifornien, den Hollywoodschauspieler, der es nur in B-Movies schaffte.
In Anspielung darauf sagt jemand bei einer Umfrage der Rundschau in Harlem, er erwarte nicht allzu viel von Reagan: «Zwischen Hollywood und dem White House ist kein Unterschied».
Mit der Bibel gesprochen
Reagans Antrittsrede am 20. Januar 1981 spricht Bände, hat man die Iran-Geschichte im Hinterkopf. Er verspricht einer zutiefst gedemütigten Nation, sie wieder gross zu machen.
Sie sei die einzige Hoffnung für all jene, denen die Freiheit noch etwas wert sei. Er zitiert die Bibel, indem er von der glänzenden Stadt hoch oben auf einem Berg spricht, die sturmumtost auf sicherem Fels stehe.
Religion und Politik gehören für Reagan zusammen. Er wird seine Amtszeit immer wieder benutzen, um seine politischen Reden zu unterbrechen und gemeinsam zu beten.
Religiös-politische Lobbyarbeit im Hintergrund
Unterstützt wird Reagan durch die fundamentalistisch-evangelikale «Moral Majority». Deren Praktiken zeigt ein Rundschaubeitrag vom 23.1.1981.
Die «Moral Majority» nimmt über aggressive Lobbyarbeit Einfluss auf das Stimmverhalten. Einflussreiche Wirtschaftskräfte unterstützen Reagan ebenso. Der nachfolgende Neoliberalismus wird heute als Reagonomics bezeichnet.
Reagan ist mit drei Wahlkampfversprechen angetreten: Steuern senken, das Budget ausgleichen und den Verteidigungshaushalt radikal erhöhen, um die Vormachtstellung der Sowjetunion zu brechen. Die Erwartungen an ihn sind hoch.
Vieles kommt anders: Reagan kürzt die meisten Sozialprogramme, senkt die Steuern für Unternehmen und argumentiert, dass genau dann, wenn es der Wirtschaft gut gehe, dieser Wohlstand allen zugute komme und begründet so die Trickle-down-Theorie.
Und heute?
Aus dem Abstand der Jahre gesehen, sind die Steuern gestiegen, abgesehen vom Spitzensteuersatz. Das Budgetdefizit ist um 180 Prozent gestiegen. Amerika gewinnt den Rüstungswettlauf gegen die Sowjetunion, die Reagan als das «Reich des Bösen» bezeichnet. Beim Test zu einer Radioansprache sagt er, die Bombardierung der Sowjetunion werde in fünf Minuten beginnen. Das ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Wird aber veröffentlicht.
Reagan gilt Konservativen heute als der beste Präsident, den Amerika je hatte. Nicht nur innen- sondern auch aussenpolitisch. Er habe die Sowjetunion in Grund und Boden gerüstet. 1987 – am Brandenburger Tor stehend – ruft er: «Mister Gorbatschow, reissen Sie diese Mauer nieder.»
Im Präsidenten spiegelt sich eine Nation
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Kritiker werfen ihm den Abbau sozialer Errungenschaften vor, eine indifferente Haltung zum Rassismus, die Umverteilung des Wohlstands von unten nach oben, die Unterstützung ultrarechter Diktaturen.
Am 20. Januar 1981, im Augenblick der Vereidigung, weiss Amerika von alldem noch nichts. 20 Minuten nach Ende der Zeremonie gibt Iran bekannt, die Geiseln seien abgeflogen. Jahre später kommt in der Iran-Contra-Affäre ans Licht, dass Reagans Lobbyisten eine Schattendiplomatie mit Iran gegen Jimmy Carter geführt haben, um die Freilassung bis nach der Wahl zu verzögern, damit kein Glanz auf Carter falle.
Im Präsidenten spiegle sich eine Nation, heisst es. Die Nation sieht in ihm, was sie von sich selber gerade sehen will. Good Night, and Good Luck.