Es zeichnete sich schon lange ab: An vielen Orten war 2022 das wärmste Jahr seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen. Zum Teil wurden die alten Rekorde, meist aus den Jahren 2018 oder 2020, um mehr als zwei Zehntelgrad übertroffen, im Süden war es stellenweise sogar ein halbes Grad wärmer als während den bisherigen Rekordjahren.
Gegenüber der klimatologisch relevanten Referenz der Jahre 1961 bis 1990 lagen die Temperaturen sowohl im Norden wie im Süden fast 3 Grad über der Norm, im Vergleich zur aktuellen Norm 1991 bis 2020 um rund 1.5 Grad. Einzig im Hochgebirge, den zentralen und östlichen Voralpen entlang und im Wallis bewegten sich die Temperaturen nicht auf Rekordniveau. Auf dem Jungfraujoch war beispielsweise das Jahr 2020 deutlich wärmer, in Sitten lagen vor allem im Jahr 2018 die Temperaturen noch höher.
Lange Wärme- und Hitzephase
Für den markanten Wärmeüberschuss waren besonders die Monate Februar, Oktober und November sowie die Periode von Mai bis August verantwortlich. Nachdem schon die ersten drei Monate des Jahres bezüglich Temperatur deutlich über der Referenz (1991 bis 2020) lagen, bewegten sich die Temperaturen ab Mai fast permanent im Rekordbereich.
Sowohl der Mai als auch der Juni waren die zweitwärmsten seit Messbeginn in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Juli landete nach 1983, 2006 und 2015 auf Platz 4, danach der August auf Platz 3 hinter 2003 und 1992. Im September sank die Temperatur vorübergehend nochmals knapp unter das Mittel (1991 bis 2020). Danach folgte mit dem Oktober der absolute Rekordmonat. Landesweit war es der wärmste Monat seit Messbeginn, und auch der November lag im Bereich der wärmsten 10 Novembermonate, in der Romandie sogar an vielen Orten auf Platz 2. Erst im Dezember sank das Temperaturniveau wieder in den durchschnittlichen Bereich.
Hitze war ein Dauerthema
In diesem Jahr war Hitze ein Dauerthema, speziell auf der Alpensüdseite. In Biasca wurden 67 Tage mit 30 Grad oder mehr verzeichnet. So viele Hitzetage gab es in der Schweiz noch nie. Bis jetzt galten die 57 Hitzetage in Stabio, im Mendrisiotto, im «Jahrhundertsommer 2003» als Rekord. Auch in Stabio wurde der alte Höchstwert übertroffen.
2022 wurden dort 63 Hitzetage verzeichnet. In Sitten bewegte man sich bezüglich Hitzetagen auch im Bereich der Rekorde. Auf der Alpennordseite war dagegen die Sommerhitze meist erträglich. Anhaltende Bise sorgte für eher kühle Nächte, und auch am Nachmittag stiegen die Temperaturen nur zeitweise in den Bereich oberhalb der 30 Gradmarke.
Lokale Hitzerekorde wurden übertroffen
Am heissesten wurde es in diesem Jahr in Genf. Am 4. August wurden 38.3 Grad gemessen, am 19. Juli waren es 38.1 Grad. Heisser war es in der Schweiz letztmals am 7. Juli 2015, als ebenfalls in Genf, 39.7 Grad registriert wurden. Dieser Wert gilt immer noch als höchste Temperatur auf der Alpennordseite.
Südlich der Alpen waren die 37.0 Grad in Biasca der Jahreshöchstwert. Dies war dort die höchste, je gemessene Temperatur. Allerdings geht dort die Messreihe nur bis ins Jahr 2017 zurück. Lokaler Rekord waren auch die 36.5 Grad in Stabio. Ebenfalls einen neuen Höchstwert verzeichnete die Station auf dem Corvatsch (3300 Meter über Meer). Dort wurde mit 14.0 Grad ebenfalls ein Wert gemessen, wie er zuvor an dieser Station noch nie auftrat.
Kalt war es nur im Ausnahmefall
Richtig kalt war es im vergangenen Winter nie. Der offiziell tiefste Wert wurde im Sibirien der Schweiz gemessen. In La Brévine im Neuenburger Jura waren es -26.8 Grad. Damit war man, wie so oft, deutlich von der -30 Gradmarke entfernt. Dies im Gegensatz zum Vorjahr, als der Jahrestiefstwert auf dem nationalen Netz in Samedan mit -30.5 Grad gemessen wurde. Deutlich tiefer liegt der absolute Tiefstwert in der Schweiz mit -41.8 Grad aus dem Jahr 1987.
Oft herrschte grosse Trockenheit
Südlich der Alpen startete man schon sehr trocken ins Jahr. Das vierte Quartal 2021 war niederschlagsarm, und so verwunderte es nicht, dass es im Januar im Tessin zu Waldbränden kam, der grösste brach in der Nähe von Indemini/TI aus. Bis Ende März blieb es im Süden staubtrocken. Im April und Mai gab es zwar im Süden endlich Regen, aber erst der Juni brachte überdurchschnittliche Regenmengen.
Überdurchschnittlich waren die Regenmengen auch wieder im Herbst. Auch im Norden war das erste Quartal sehr trocken, und selbst danach blieben die Niederschlagsmengen oft unter der Norm. Besonders im Westen und im Wallis war der Sommer viel zu trocken, während im Osten die Wiesen doch meistens grün waren. Im Herbst gab es schliesslich nördlich der Alpen wieder ausreichenden Regen.
Das Debakel mit dem Naturschnee
Glücklicherweise fielen im November und Dezember 2021 grössere Schneemengen auf der Alpennordseite, sodass einer guten Skisaison auch dank technischen Massnahmen nichts im Wege stand. Ausserhalb der Pisten schmolz der Schnee bei viel Sonnenschein und hohen Temperaturen aber rasch dahin. Vor allem die Alpensüdseite war schneearm.
Die Schneeschmelze wurde ab März noch beschleunigt, da extreme Saharastaubereignisse den Schnee gelblich bis rötlich verfärbten und noch zusätzlich zu einem schnellen Schmelzen führten. So gab es auf der Messstelle am Weissfluhjoch den zweitfrühesten Ausaperungstermin (6. Juni) der langjährigen Messreihe.
Dramatisch war aber die frühe Schneeschmelze vor allem für die Gletscher. Durch das frühe Ausapern und nachfolgend viel Sonnenschein und hohe Temperaturen schmolzen die Gletscher in einem noch nie gesehen Ausmass. Gemäss Angaben der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften betrug der Massenrückgang der Gletscher zwischen Oktober 2021 und Ende September 2022 mehr als 6 Prozent, und damit rund doppelt so viel wie 2003.
Sonnenschein ohne Ende
Zu den rekordhohen Temperaturen passen natürlich auch die vielen Sonnenstunden. An vielen Orten war es das sonnigste Jahr seit Messbeginn, so beispielsweise in Basel, Bern, Genf oder auf dem Zürichberg. Dazu trug natürlich vor allem der Juli bei. An insgesamt 35 Messstationen im staatlichen Messnetz wurden neue Juli-Höchstwerte gemessen. In Genf gab es im Juli 374.5 Stunden Sonnenschein. Das war in der Schweiz der höchste, je gemessene Monatswert.
Der alte Rekord hielt im Übrigen mehr als 100 Jahre lang stand. Im Jahre 1911 wurde in Bern ein Wert von 370 Stunden Sonnenschein für den Juli notiert. Die Zahl der Sonnenscheinstunden muss aber doch mit einer gewissen Vorsicht zur Kenntnis genommen werden. In den letzten Jahren wurden die Sonnenscheinmessgeräte wesentlich verbessert, wie der staatliche Wetterdienst vor einigen Monaten mitteilte. Ein Teil der hohen Werte hängt möglicherweise mit der neuen Messtechnik zusammen, auch wenn ausser Frage steht, dass das Jahr 2022 extrem sonnig war.
Faszination Wetter
Nebst der klimatologischen Statistik faszinierten auch in diesem Jahr wieder einzelne Wetterphänomene, die in der beiliegenden Geschichte beschrieben sind.