In Reih und Glied zu stehen ist nicht einfach. Besonders, wenn niemand klare Anweisungen gibt. Das geht nicht nur Soldaten so, sondern auch dem Wasser. Möchte es zu Eis erstarren, dann müssen alle Moleküle in einer ganz strengen Ordnung hin stehen. Doch wer übernimmt die Initiative und beginnt? Meistens ist das kein Problem, weil es natürliche „Feldweibel“ gibt, in Form von kleinsten Staubpartikeln. Sie helfen den ersten Wassermolekülen, wie sie sich hin zu stellen haben. Sobald diese in der richtigen Formation stehen, folgen ihnen die anderen und das Wasser gefriert.
Was aber, wenn nicht genügend hilfreiche Staubkörner vorhanden sind?
Eiskalte Geburtsstätte
Wolkentröpfchen sind so rein, dass sie nicht schon bei 0 Grad gefrieren. Erst bei deutlich tieferen Temperaturen erstarren sie zu kleinsten Eispartikeln, den Embryonen der Schneesterne. Am meisten Schnee entsteht in Wolken, welche eine Temperatur zwischen -10 und -20 Grad aufweisen. Dies aber auch nur dank den wenigen vorhandenen „Feldweibeln“. Wäre die Wolke absolut rein, dann würde erst bei etwa -40 Grad Eis entstehen.
Selbsthilfe
Wie lange ein frisch geborener Schneestern lebt, hängt von seinem Weg zum Boden ab. Solange die Lufttemperatur unter 0 Grad bleibt, ist alles gut. Wird es dagegen wärmer, droht Schmelze. Noch aber ist sein Schicksal nicht besiegelt. Schnee kann sich durch Verdunstung kühlen, so wie wir mit Schwitzen. Dies geht umso besser, je trockener die Luft ist. Dank diesem Effekt kann es im Extremfall sogar noch bei 8 Grad Schneeflocken geben.
Ich schmelz‘ dahin
Ist die Luft dagegen sehr feucht, wird es ungemütlich für den Schnee. Die Verdunstung funktioniert nicht mehr. Aber nicht nur das: Ihm wird sogar noch eingeheizt. Er erlebt dasselbe, wie wir in der Sauna: Nach einem kräftigen Aufguss wird es schlagartig heisser, obwohl das Thermometer weiterhin die gleiche Temperatur anzeigt. Das plötzliche Hitzegefühl kommt vom Wasserdampf, welcher auf unserer Haut auskondensiert. Dieser Effekt lässt den Schneestern schon bei wenigen Zehntelgraden über dem Gefrierpunkt schmelzen.
Flüchtige Schönheit
Selbst wenn der Schneestern unbeschadet am Boden ankommt, ist noch nicht klar, wie lange er überlebt. Manchmal verschwindet eine dünne Schneeschicht nach einigen Tagen, obwohl sowohl die Luft wie der Boden eiskalt sind. In diesem Fall verdunstet der Schnee, ohne je geschmolzen zu sein. Dies passiert besonders bei sehr trockener Luft.
Schneesterne sind uns Menschen also ziemlich ähnlich: Nicht nur weil jeder anders aussieht, sondern auch, weil sie sich nicht immer so verhalten, wie man es von ihnen erwartet.