Die verheerenden Frostnächte der letzten Woche haben gezeigt, was uns mit Kaltlufteinbrüchen und Kaltfronten im Frühling alles blühen kann, respektive nicht mehr blühen kann. Am Jurasüdfuss kennt man die Tücken von Kaltfronten vor allem vom Sommerhalbjahr. Gerne brechen die Fronten dann von den Jurahöhen her urplötzlich als kalter Fallwind über Dörfer und Städte am Jurasüdfuss herein. In diesem Zusammenhang nennt man diesen unberechenbaren Fallwind - «Joran dynamique».
Turnfest 2013 - Joran stellt sich ins Rampenlicht
Zum Eidgenössischen Turnfest in Nidau bei Biel hatten sich im Juni 2013 viele Athleten aus allen Ecken der Schweiz eingefunden. Sie hausten zu Hunderten in Zelten und freuten sich ihre sportliche Klasse vor der Jury und den zahlreichen Besuchern aufzuführen. Am Nachmittag des ersten Wettkampftages spielte das Wetter in diesem Schauspiel nur eine Nebenrolle. Doch dies sollte sich überraschend schnell ändern.
13. Juni 2013
Im Vorfeld einer Kaltfront wurde an diesem Donnerstag aus Südfrankreich subtropisch heisse Luft ins Schweizer Mittelland befördert. Der auffrischende Südwestwind war bei Höchsttemperaturen gegen 30 Grad und ziemlich sonnigem Wetter ein willkommenes Lüftchen - für Turner und Zuschauer zugleich. Doch gegen 20 Uhr legten sich plötzlich eigenartig geglättete Wolken über die Jurahöhen und verhüllten diese. Kurze Zeit später fegten Sturmböen mit bis 101 km/h durch das Festgelände. Alles was nicht niet und nagelfest war, wurde durch die Luft geschleudert. Es gab mehrere Verletzte. Was war geschehen? Ein «Joran dynamique» rollte über das Turnfest.
«Joran dynamique» - Kaltfront schleppt kalte Luft
Im Vorfeld einer Kaltfront über Frankreich ist die Luft im Schweizer Mittelland vergleichsweis wärmer und entsprechend leichter. Mit der Annäherung der Front sinkt der Luftdruck am Jurasüdfuss weiter und der Südwestwind frischt kräftig auf. Wenn die Kaltfront mit schwer und kalter Luft im Schlepptau die Jurahöhen passiert hat, stürzt sie zum Jurasüdfuss hinunter als beschleunigter, kalter Fallwind. Eben «Joran dynamique».
«Joran statique» - Gewitter produziert kalte Luft
An sonnigen und warmen Sommertagen setzt im Tagesverlauf über den Jurahöhen Thermik ein. Die Luft strömt vom Jurasüdfuss und vom Juranordfuss zu den Gipfeln. Über den Jurakreten türmen sich allmählich Quellwolken. Ist die Luft genügend feucht und instabil geschichtet, bilden sich Schauer- oder Gewitterzellen. Bläst dabei der Höhenwind noch aus Südwesten und variiert mit der Höhe in Richtung und Geschwindigkeit, ergibt sich ein hochexplosives Gemisch. Das Gewitter produziert dabei, durch Starkregen und durch das Hinuntermischen von Höhenluft, viel kalte und schwere Luft. Sie sammelt sich auf den Jurahöhen, sodass dort ein Kaltluftpolster mit hohem Luftdruck entsteht. Am Jurasüdfuss hingegen lagern noch heisse und leichte Luftmassen. Folglich schiesst die kalte, schwere Luft auf den Jurahöhen als Fallwind hinunter in die Mittelland Ebenen - «Joran statique».
Joran - das friedvolle Lüftchen
Nach heissen Sommertagen frischt am Abend der Bergwind häufig schwach bis mässig auf. Mit kühlerer Luft von den Höhenlagen sorgt er am Fusse des Juras für eine willkommene Erfrischung. Dabei handelt es sich um einen schwachen «Joran statique». Diese friedvolle Seite des Joran's offenbart die Vielseitigkeit des Fallwindes. Er reisst sich nicht immer um die stürmische Hauptrolle im Wetterschauspiel am Jurasüdfuss. Nein, er begnügt sich viel häufiger auch mit der sanften und erfrischenden Nebenrolle als abendlicher Schönwetterwind.
Quellen:
- SRF Meteo Datenarchiv
- «Der Joran - Ein Fallwind am Jurasüdfuss» Ferenc Baki, ETH Zürich, 2007
- www.sturmarchiv.ch
- www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=2&t=8805&start=100
- www.stv-fsg.ch