Perron 9 auf dem Hauptbahnhof Solothurn am Donnerstagabend um 17:34 Uhr: Der Zug der RBS (Regionalverkehr Bern-Solothurn) setzt sich in Bewegung in Richtung Bern. In jedem Abteil sitzt eine Person, gleich im ersten Abteil beim Eingang hat eine ältere Dame Platz genommen, die sich heraus geputzt hat.
«Ja, ich gehe in den Ausgang», erklärt sie stolz. Sie trifft ihre Tochter und zusammen geht's an ein Jazzkonzert. Ihren Namen und vor allem ihr Alter möchte sie nicht verraten. Dafür gibt sie zu: Es ist ihr erstes Mal. In diesem «Zügli». Sie wohnt zwar in Solothurn und fährt oft nach Bern, aber immer mit dem Auto.
Was ist praktischer: Zug oder Auto?
Ein Abteil hinter der älteren Dame sitzt ein Herr, der um kein Geld in der Welt mit dem Auto nach Bern möchte. Sechs Jahre lang hat er das getan, bis er aufgab. «Der Zug ist einfach schneller», behauptet der Mann, der im Baugewerbe tätig ist und täglich zwischen Solothurn und Bern pendelt.
Dabei hat man laut Routenplaner vom Amtshausplatz Solothurn zum Kursaal in Bern gut 30 Minuten. Die RBS braucht – mit der schnellsten Verbindung – knapp 40. «Das stimmt, aber einen Parkplatz brauche ich ja auch noch», fügt der Mann an und lächelt mit einem Augenzwinkern.
9 Millionen Passagiere pro Jahr
Die meisten Benützer der RBS-Linie Bern-Solothurn sind Pendler; laut Statistik rund 60 Prozent. Insgesamt benutzen pro Jahr 9 Millionen Personen diese Linie. Pro Tag sind das rund 12'000 Fahrgäste. Manche brauchen die RBS nur, um von Jegenstorf nach Bern zu fahren. Für andere hingegen ist diese Strecke nur ein Teil ihres langen Wegs.
«Ja, ich fahre täglich von Sumiswald im Emmental nach Solothurn, wo ich arbeite», erklärt eine junge Frau. Am Morgen nimmt sie dafür nicht die RBS, weil die Verbindung dann schlecht sei. Aber jeweils am Abend fährt sie von Solothurn nach Bern, dann über Ramsei nach Sumiswald. Fahrzeit: 1 Stunde und 39 Minuten. Und nochmals 14 Haltestationen ab Bern. «Mein Freund wohnt in Bern», fügt sie lächelnd an, und meint, dass sich der Weg – mit einem Stopp in Bern – so durchaus lohne.
Auffällig viele Nachtschwärmer
Szenenwechsel: Mittlerweile ist es 22:41 Uhr und am Berner Hauptbahnhof auf dem Perron 21 rollt die RBS wieder zurück in Richtung Solothurn. Wer nun glaubt, dass nur wenige Personen an einem Donnerstagabend den viertletzten Zug nehmen, der irrt sich gewaltig. Der Zug ist rappelvoll.
So gut wie jedes Abteil in den beiden Waggons der RBS ist mit vier Personen besetzt, bei den Ausgängen stehen weitere Passagiere und hören Musik oder tippen auf ihrem Handy herum. Die allermeisten Leute kehren von einem Konzert heim, vom Theater oder von einem andere Kulturanlass – oder sie haben sich mit Freunden verabredet.
Wenige wollen nach Solothurn
Interessant ist: So voll der Zug am Anfang der Fahrt ist, so schnell leert er sich auch wieder. Nach der Haltestelle Jegenstorf ist beinahe die Hälfte der Passagiere bereits wieder ausgestiegen, und bei den letzten drei Haltestellen auf Solothurner Boden sieht es schon fast wieder aus, wie im Abendzug von 17:34.