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Aargau Solothurn Aargauer Dilemma mit dem Vermögensverzehr von IV-Rentnern

Das Aargauer Stimmvolk steht vor einer kniffligen Frage. Zu entscheiden ist, ob der Kanton Geld sparen soll mit dem Risiko, dass es dadurch zu tragischen Einzelschicksalen kommt. Oder ob man weiterhin in Kauf nimmt, dass auch Leute staatliche Unterstützung erhalten, die nicht darauf angewiesen sind.

Die Fakten in Kurzform:

  • Heute müssen IV-Rentner mit Ergänzungsleistungen pro Jahr 1/15 (6,6 Prozent) ihres Vermögens an die Heimkosten bezahlen. Neu soll dieser Anteil auf 1/5 (20 Prozent) erhöht werden.
  • Die Aargauer Regierung rechnet mit einem Sparpotential von 4,8 Millionen Franken in den nächsten 3 Jahren (2017: 2,8 Mio; 2018: 1,5 Mio.; 2019 0,5 Mio. CHF).
  • Im gesamten Kanton Aargau wären 415 Personen von der Änderung betroffen.
  • Im Grossen Rat wurde die Änderung äusserst knapp angenommen, mit 59 zu 58 Stimmen. Die Gräben verliufen quer durch die Parteien: Die SVP war gespalten, aber wie auch die SP mehrheitlich gegen die Änderung. Die EVP sprach sich geschlossen dagegen aus. Geschlossen für die Änderung waren FDP, CVP, die Grünen und die BDP. Mehrheitlich dafür war die GLP.

Die hehre Absicht führt in ein Dilemma

Es ist eine der Sparmassnahmen der Aargauer Regierung, um das Budget wieder ins Lot zu bringen: Die Erhöhung des Vermögensverzehrs von IV-Rentnern, welche Ergänzungsleistungen beziehen. Es geht dabei um ein Sparpotential von knapp fünf Millionen Franken in den nächsten drei Jahren.

Strenger Kanton Aargau

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Der Bund lässt einen Vermögensverzehr von maximal 20 Prozent pro Jahr zu. Das neue Gesetz im Aargau würde also den Maximalwert ausreizen. Damit würde sich der Aargau zu den strengeren Kantonen gesellen. Eine Mehrheit der Kantone hat heute 6,6 Prozent Vermögensverzehr, sechs Kantone kennen schon die 20 Prozent-Lösung.

Im Kern geht es der Regierung darum, nur jenen Personen staatliche Unterstützung zukommen zu lassen, welche diese auch nötig haben. IV-Rentner, die über ein Vermögen verfügen, sollen mehr vom eigenen Geld ans Pflegeheim bezahlen, bzw. weniger Ergänzungsleistungen erhalten. Auf allgemeiner Ebene klingt das sehr plausibel und ist wohl wenig umstritten, im Einzelfall jedoch wird die Sache kompliziert.

In 415 Einzelfällen würde das Vermögen schneller schrumpfen

Von der Gesetzesänderung betroffen wären im Aargau aktuell genau 415 Personen, wie die Regierung in der Abstimmungsbroschüre schreibt. Sie müssten künftig pro Jahr 20 Prozent ihres Vermögens an die Heimkosten bezahlen, was dazu führt, dass das Vermögen nach spätestens fünf Jahren aufgebraucht wäre.

Unter den wenigen betroffenen Personen finden sich bestimmt Beispiele, wie sie die Regierung im Kopf hat: IV-Rentner, die fürs Pflegeheim Ergänzungsleistungen erhalten und von ihrem vorhandenen Vermögen heute pro Jahr «nur» 6,6 Prozent beisteuern müssen. Für die Regierung eine staatliche Unterstützung für Personen, welche diese gar nicht nötig hätten.

Auch tragische Einzelfälle denkbar

Unter den 415 Betroffenen dürfte es aber auch Fälle wie das folgende fiktive Beispiel geben: IV-Rentner sind nicht zwangsläufig im Pensionsalter. Denkbar wäre zum Beispiel, dass jemand um die 50 Jahre bei einem Arbeitsunfall invalide wird und daher eine IV-Rente bezieht. Wegen des hohen Pflegebedarfs muss diese Person vorübergehend in ein Heim ziehen und erhält dafür Ergänzungsleistungen.

Da es das Ziel der IV und des Gesundheitswesens ist, diese Person wieder in den Arbeitsmarkt zurückzubringen, macht sie eine Umschulung, kann das Pflegeheim wieder verlassen und findet eine neue Stelle, was aber einige Zeit in Anspruch nimmt. Wenn nun aber in dieser Zeit das Vermögen der Person, welches sie sich vor dem Unfall erarbeitet hat, von den Heimkosten weggefressen wird, steht die Person – plus eventuell eine ganze Familie – beim erneuten Eintritt ins Arbeitsleben vor dem Nichts. Mit der Gesetzesänderung wäre das viel schneller der Fall, nämlich bereits nach fünf Jahren.

Bedrohte Eigenheimbesitzer?

Noch komplizierter wird die Frage, wenn man berücksichtigt, dass sicher bei vielen «vermögenden» IV-Rentnern das Vermögen aus einer Liegenschaft besteht, die sie bewohnen, dass es sich beim Vermögen also nicht um prall gefüllte Bankkonti handelt, sondern um das Eigenheim.

Wenn nun das neue Gesetz vorschreibt, dass jährlich 20 Prozent des Vermögens an die Heimkosten zu bezahlen sind, dann müssten Betroffene ihre Liegenschaft ziemlich schnell verkaufen um sich diese Beiträge leisten zu können.

Dilemma der Güterabwägung

Das fiktive Beispiel und das Thema Liegenschaften beleuchten die schwierige Güterabwägung, welche dieser Abstimmung innewohnt. Zieht man beim Vermögensverzehr der IV-Rentner die Sparschraube an und nimmt in Kauf, dass es zu tragischen Einzelschicksalen kommen kann?

Oder belässt man die Situation wie sie ist und nimmt damit in Kauf, dass weiterhin einige IV-Rentner staatliche Unterstützung erhalten, die es nicht zwingend nötig hätten?

Zur Debatte steht ein Sparpotential von knapp fünf Millionen Franken in den nächsten Jahren: Was ist Ihnen das wert?

(Bildnachweis Front: Imago)

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