Rückblende: Am Mittwoch suspendierte die Aargauer Regierung den Gemeindeammann von Wohlen, Walter Dubler ( wir berichteten ). Zuvor hatte der Gemeinderat um diese Massnahme gebeten. Hintergrund des Verfahrens: Gegen den Gemeindeammann läuft eine Strafuntersuchung der Justiz. Er soll zu viel Geld kassiert haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Ereignisse vom Montag in Kurzform:
- Der Einwohnerrat von Wohlen beschliesst am Abend über diverse Sachgeschäfte, es ist die erste Sitzung ohne den suspendierten Gemeindeammann
- Der Gemeinderat hat kurz vor der Sitzung darüber informiert, dass er viele offene Fragen noch klären muss, u.a. bezüglich Lohnfortzahlung an den Gemeindeammann
- Am Morgen hatte der Gemeindeammann trotz Suspendierung das Gemeindehaus betreten – inzwischen hat er seine Schlüssel aber abgegeben
Eklat im Gemeindehaus
Am Montag hat der suspendierte Gemeindeammann selber für einen weiteren Eklat gesorgt: Er ging nämlich – als ob nichts wäre – zur Arbeit ins Gemeindehaus. Erst am Nachmittag beendete er gemäss übereinstimmenden Berichten mehrerer Quellen diese unsensible Aktion und gab den Schlüssel zu seinem Büro ab. Der Vorfall sorgte am Rande der Einwohnerratssitzung am Abend noch für einige rote Köpfe.
Diese Geschichte zeigt sehr gut, wie aufgeladen die politische Stimmung in Wohlen aktuell ist. Es herrscht immer noch Chaos.
Ruhe im Parlament
Ausgesprochen ruhig, ja für Wohler Verhältnisse ungewöhnlich anständig verliefen hingegen die Debatten im Einwohnerrat. Es wurde Sachpolitik betrieben, beinahe als ob es keine «Affäre Dubler» gebe (siehe Kasten). Darüber zeigte sich vor allem einer froh: Vize-Ammann Paul Huwiler.
Für ihn war dieser erste Parlamentsabend ohne die Anwesenheit des umstrittenen Gemeindeammans eine Art politischer Stimmungstest. Das Fazit nach der Sitzung: «Wir haben einen Schritt vorwärts gemacht.» Wohlen scheint also auf dem Weg zur Normalität.
Frage: Wie geht eine Suspendierung?
Allerdings: Dieser Weg ist noch weit. Denn in Wohlen sind noch sehr viele Fragen offen. Der «Fall Dubler» ist ein Präzedenzfall. Noch nie wurde in einer Aargauer Gemeinde der Gemeindeammann suspendiert. «Es gibt kein Rezeptbuch, wir müssen alles selber erarbeiten», sagt Paul Huwiler.
Der Gemeinderat muss zum Beispiel klären:
- Braucht der Gemeindeammann weiterhin Akteneinsicht zu den laufenden Geschäften (immerhin könnte die Suspendierung ja plötzlich wieder aufgehoben werden)?
- Erhält der Gemeindeammann weiterhin Lohn (eine Suspendierung ist ja nur eine vorläufige Massnahme und keine Kündigung)?
- Erhalten die übrigen Gemeinderäte nun mehr Lohn, weil sie die Arbeit des Gemeindeammanns ebenfalls übernehmen müssen?
Der Gemeinderat hat zur Klärung dieser Fragen einen Anwalt beigezogen, wie es in einer Mitteilung vom Montagabend heisst. Antworten gibt es bisher aber noch keine. Das Chaos ist also noch nicht ausgestanden.
Immerhin: Die Verwaltung funktioniere, betont Vize-Ammann Paul Huwiler. «Wichtig ist, dass wir uns wieder um das Tagesgeschäft kümmern können». Huwiler hofft, dass nach der Suspendierung des Gemeindeammanns nun weniger Vorstösse und Anfragen aus dem Parlament kommen, die der Verwaltung viel Arbeit machten. Dass man also wieder ein Stück näher zur Normalität kommt.
Frage: Wie ersetzt man einen Gemeindeammann?
Diese politische Normalität ist für Paul Huwiler auch deshalb wichtig, weil er aktuell noch ein ganz persönliches Chaos hat. Der CVP-Politiker wurde quasi über Nacht zum Leiter einer Gemeinde mit 16'000 Einwohnern. Seit der Suspendierung des Ammanns verbringt der Vize täglich zwei bis drei Stunden im Gemeindehaus. Neben einem 100-Prozent-Job.
«Die Arbeit in meinem Beruf leidet unter dieser Situation. Ich muss mit meinem Arbeitgeber nun eine Lösung finden, damit ich mein Pensum reduzieren kann. So funktioniert das nicht.» Der Gemeindeammann von Wohlen arbeitete im Vollamt – die nun verantwortlichen Gemeinderäte sind alles Miliz-Politiker. Dazu kommt: Das Ressort Finanzen ist seit längerem unbesetzt, erst nächsten Sonntag wird ein neuer Gemeinderat gewählt.
Vielleicht sind auch diese Ersatzwahlen ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Aber es dürfte noch eine Weile lang gelten, was die Ereignisse vom Montag sinnbildlich zeigen: Chaos und Normalität liegen im politischen Wohlen tatsächlich sehr nah beisammen.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 06:32 Uhr)