«Es ist schon fast ein Skandal», meint die SP-Parteipräsidentin Franziska Roth auf Anfrage von Radio SRF zur Vergabepraxis für das Steuerscanning durch die Firma RR Donnelley im Kanton Solothurn. «Jetzt müssten alle Fakten auf den Tisch», fügt SVP-Fraktionspräsident Christian Imark an. So oder ähnlich tönt es auch bei den anderen Parteien.
Umstritten ist das Scannen der Steuererklärungen schon länger, weil sich Politiker Sorgen machen um die Sicherheit der Daten. Die Steuerklärungen auf Papier werden von der Firma RR Donnelley in Urdorf eingescannt.
RR Donnelley gehört einem amerikanischen Konzern. Es tauchten in der Solothurner Politik deshalb Bedenken auf, dass sich amerikanische Behörden Zugriff verschaffen könnten auf diese sensiblen Daten.
Nur Folgeaufträge?
RR Donnelley hiess vor ihrem Verkauf in die USA Cominformatic AG. Diese erhielt im Jahr 2002, so die «Solothurner Zeitung», einen ersten Auftrag des Kantons Solothurn für die Digitalisierung von Dokumenten. Es war damals ein kleiner Auftrag im Wert von 164'000 Franken. Deshalb wurde er ohne öffentliche Ausschreibung vergeben.
2006 erhielt die Firma – unterdessen war sie verkauft worden – den Auftrag, alle Steuererklärungen des Kantons einzuscannen. Wieder wurde dieser Auftrag freihändig vergeben, bestätigt Jürg Studer, Leiter Rechtsdienst im Finanzdepartement. Auftragsvolumen jetzt: 1,3 Millionen Franken pro Jahr.
Finanzdepartement gibt Fehler zu
Das Finanzdepartement deklarierte die Aufträge als Folgeaufträge zur Erstvergabe. Diese müsse man nicht öffentlich ausschreiben. Manchmal sei man auch zeitlich unter Druck gestanden.
Konfrontiert mit diesen Fakten, sagt der heutige Finanzdirektor Roland Heim (seit 2013 im Amt): «Die Aufträge von 2002 und 2006 hätten öffentlich ausgeschrieben werden müssen.» Das Finanzdepartement hatte deshalb eine interne Untersuchung in Auftrag gegeben. Dabei kam ans Licht: Es sind Fehler passiert, diese können sich jedoch nicht wiederholen, heisst es. Und 2016 werde der Steuerscanning-Auftrag neu vergeben, so Jürg Studer.
Alle grossen Parteien fordern weitere Abklärungen
Das reicht den Solothurner Kantonalparteien aber nicht. Sie fordern allesamt auf Anfrage des Regionaljournals Aargau Solothurn, dass sich die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrates damit beschäftigt. SP, Grüne, CVP, FDP und SVP verlangen von der GPK eine Unterschung des Falls.
Das ist schon sonderbar, was da passiert ist. Wir werden das in der GPK thematisieren und weitere Schritte prüfen.
Der GPK-Präsident will der Sache also ebenfalls auf den Grund gehen. In den Solothurner Parteien gehen die Wogen derweil hoch. Wenn die Geschäftsprüfungskommission das nicht genauer abkläre, brauche es gar eine parlamentarische Untersuchungskommission, meint Christian Imark von der SVP.
«Eigentlich müssten die Departemente wissen, wie man Aufträge vergibt», meint der Co-Präsident der Grünen, Felix Wettstein. Der Kantonsrat und seine GPK könnten «schon jedem einzelnen Departement hinter her rennen und die Würmer aus der Nase ziehen», aber das sei eigentlich nicht die Aufgabe eines Milizparlamentes.
Nicht die erste umstrittene Vergabe in jüngster Zeit
Bereits 2014 gab es im Amt für Wirtschaft und Arbeit einen Fall, der auch in der Politik Fragen aufwarf. Dabei ging es um einen Abteilungsleiter, der an einer Auftragsvergabe in Millionenhöhe beteiligt war, und zwar an eine Institution mit dessen Geschäftsleiter der Beamte in den Ferien gewesen sein soll. Die FDP wollte daraufhin mittels Interpellation mehr zum Fall wissen.
Auf die Frage, ob denn nun alle Departemente des Kantons Solothurn auf ihre Vergabepraxis geprüft werden sollen, gibt es verschiedene Antworten.
FDP und SVP sehen hier keine Notwendigkeit, heisst es auf Anfrage. Grüne und der SP hingegen sprechen sich dafür aus, auch die CVP sieht das «als eine Möglichkeit», so CVP-Präsidentin Sandra Kolly.
Es schmeckt schon etwas danach, als wäre der Wurm generell in der Vergabepraxis drin.
Hier müsse man wohl nicht nur in einem Loch wühlen, fügt Franziska Roth hinzu. Auch der grüne Kantonsrat Felix Wettstein sieht das so: «Offensichtlich ist es nötig, dass wir mal systematisch festhalten und nachfragen: Wo sind eigentlich grosse Drittaufträge am Laufen, die möglicherweise auch nicht über ein öffentliches Ausschreibeverfahren gelaufen sind?»