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Was macht der Luftpolizeidienst?
Aus Rendez-vous vom 27.08.2020. Bild: Keystone
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Neue Kampfjets Schweizer Armee will wieder Bodenziele aus der Luft bekämpfen

Die neu zu beschaffenden Kampfflugzeuge sollen auch Bodenziele bekämpfen können. Das kann die Luftwaffe heute nicht.

Gerieten Schweizer Soldaten in einen Hinterhalt und verlangten Luftunterstützung – sie würden keine Schützenhilfe aus der Luft erhalten. Weder der F-5 Tiger noch der F/A-18 Hornet in der Schweizer Version können Ziele am Boden angreifen.

Auf diese Luftkriegsfähigkeit hat die Schweiz damals beim Kauf des F/A-18 verzichtet, obwohl der F/A-18 nicht nur ein «Fighter», sondern auch ein «Attacker» ist, also Bodenziele angreifen kann. Bei der Bestellung Anfang der 1990er Jahre haben die Schweizer Behörden aus Kosten- und sicherheitspolitischen Gründen darauf verzichtet.

Der Kalte Krieg war vorbei, der Warschauer Pakt keine Bedrohung mehr und die Militärs lösten sich von Kriegsszenarien wie den grossen Panzerschlachten inmitten von Europa.

Mit der Ausserdienststellung des Jagdbombers Hawker Hunter 1994 verlor die Luftwaffe definitiv die Erdkampffähigkeit. Politik und Armee waren bereit, militärisch gesprochen eine «Lücke» offenzulassen.

Veränderte Bedrohungslage

2020 scheint sich die Wahrnehmung der Bedrohungslage fundamental verändert zu haben. Der Grundlagenbericht «Luftverteidigung der Zukunft» empfahl 2017, dass die Erdkampffähigkeit wieder eingeführt werden sollte.

Auch im Anforderungskatalog heisst es, das neue Kampfflugzeug solle «die Armee mit operativem Feuer ausserhalb der Reichweite der eigenen Artillerie und mit Luftaufklärung unterstützen.»

Erdkampffähigkeit als Mittel zur Abschreckung

Divisionär Bernhard Müller ist Kommandant der Luftwaffe. Gegenüber SRF News sagt er zur Wiedereinführung des Erdkampfes: «Wir wollen primär verhindern, dass es überhaupt Krieg gibt. Deshalb brauchen wir Mittel, die ein gewisses Abschreckungspotenzial haben.» Dazu zählt die Armee auch die Erdkampffähigkeit.

Dass das VBS die Möglichkeit zurückgewinnen will, auch aus der Luft Bodenziele anzugreifen, ist nicht neu. Bereits mit der Beschaffung des schwedischen Kampfjets Gripen hätte die Schweizer Armee diese Lücke wieder schliessen wollen. Das Volk lehnte aber den Kauf des Gripen 2014 an der Urne ab. Die Lücke blieb offen.

2017 versuchte zuerst der damalige Verteidigungsminister Guy Parmelin und dann die SVP und FDP im Parlament die F/A-18 so nachzurüsten, damit diese Raketen auch auf Bodenziele hätten abfeuern können. Abgelehnt haben das 20-Millionen-Projekt die Mitte und die Linke. CVP-Nationalrat Alois Gmür sagte damals, es sei nicht einzusehen, wieso es die Erdkampffähigkeit brauche, die Bedrohungslage habe sich seit 1994 nicht «derart geändert».

Ziele auch ausserhalb der Grenze

Mit der Neubeschaffung könnte also die Armee die Erdkampffähigkeit zurückerlangen. In den Einsatz-Szenarien gehen die Armeeplaner davon aus, dass die neuen Kampfjets auch Ziele im Ausland angreifen würden. Das hiesse, eine feindliche Armee würde nicht erst bekämpft, wenn sie die Schweizer Grenze erreicht, sondern bereits auf grösserer Distanz.

Aber können in den dicht besiedelten Gebieten in der Schweiz und im benachbarten Ausland überhaupt Luftangriffe geflogen werden, ohne dass zivile Opfer beklagt werden müssten? Luftwaffen-Kommandant Bernhard Müller erwidert, der neue Kampfjet sei kein Flächenbomber, sondern setze Lenkwaffen ein, die metergenau Ziele bekämpfen würden.

So sollen mit Präzisionsmunition Punktziele von grossem Wert bekämpft werden können. Etwa Führungseinrichtungen, die gegnerische Logistik oder «Grosssysteme, die auf die Schweiz einwirken können», sagt Müller. Also Waffen, die aus weiter Entfernung die Schweiz bedrohen.

Ist ein konventionelles Kriegsszenario realistisch?

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Die Diskussion um die Erdkampffähigkeit zeigt, die Armee denkt wieder vermehrt in den Szenarien des konventionellen, zwischenstaatlichen Krieges. Da setzt auch die Kritik der Beschaffungsgegner an. SP-Nationalrätin und Mitglied des Nein-Komitees Priska Seiler Graf kritisiert: «Mir ist schleierhaft, wieso der neue Kampfjet die Erdkampffähigkeit haben soll. Kein Szenario, das ich mir vorstellen kann, könnte dies rechtfertigen.»

Im Bericht zur Bedrohungslage, den das VBS im Zusammenhang mit dem Kampfjet-Projekt im April 2019 veröffentlichte, heisse es, die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweiz Opfer eines bewaffneten Angriffs werde, scheine in absehbarer Zukunft wenig wahrscheinlich. Zwar würden die Spannungen zwischen Russland und den westlichen Staaten steigen.

Aber braucht es deswegen einen neuen Kampfjet mit Luft-Boden-Raketen? FDP-Nationalrat Thierry Burkart und Mitglied des Ja-Komitees sagt: «Wir wollen uns ausrichten auf Szenarien in den Jahren von 2030 bis 2070. Wir wissen nicht, wie sich die Bedrohungssituation entwickeln wird.»

Nur dritte Priorität

Luftwaffen-Chef Bernhard Müller betont, jeder Mehrzweck-Kampfjet trage bereits die Möglichkeit in sich, als Luftverteidigs-, als Luftaufklärungs- und als Erdkampfmittel eingesetzt zu werden. Es gehe aber nur um eine beschränkte Fähigkeit, betont Müller. Andere Anforderungen an den Kampfjet seien wichtiger als die Erdkampffähigkeit.

Auch wenn die Erdkampffähigkeit «dritte Priorität» habe, wolle dir Armee nicht darauf verzichten, sagt Müller: «Wenn wir wie beim F/A-18 von Anbeginn auf eine Fähigkeit verzichten, dann ist sie auch softwaremässig nicht vorhanden. Dann ist sie auch nicht im Simulator vorhanden. Wir können sie auch nicht ausbilden und trainieren. Diesen Fehler wollen wir hier nicht machen.»

Stimmt die Stimmbevölkerung dem Kampfjet-Kauf zu, dann steigen in wenigen Jahren Kampfjets mit Luft-Boden-Waffen in den Himmel auf. Wenn nicht, dann fliegen noch ein paar Jahre die F/A-18 weiter – ohne Erdkampffähigkeit.

Rendez-vous, 27.08.2020 12:30 Uhr; fulu

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