Bei einer Strassenumfrage erlebt man immer das Gleiche, vor allem am Morgen früh an einem Bahnhof: Dreiviertel der angesprochenen Passanten weichen dem Mikrofon aus. Man hat keine Zeit, eilt auf den Zug oder vom Zug an die Arbeitsstelle.
Wer dann doch Halt macht vor dem SRF-Mikrofon und bereit ist, etwas zum persönlichen Abstimmungsverhalten zu sagen, hält in der Regel fest, dass er/sie grundsätzlich abstimmen möchte, dass er/sie aber gerade in letzter Zeit keine Zeit gehabt hätte, um sich mit den Vorlagen zu beschäftigen.
Nicht wissen wollen
Und dann gibt es auch jene Passanten, die schon abgestimmt haben, sich aber nicht erinnern können, worüber sie eigentlich abgestimmt haben. Bevor der Reporter verzweifelt, findet er aber doch noch ein paar Passanten, die brauchbare Quotes liefern.
Die Alten sollen für die Jungen stimmen. Die machen das schon richtig.
Da ist der junge Mann, der zugibt, dass er nie abstimmen geht. Seine Begründung: «Eine einzelne Stimme zählt ja doch nicht. Die Alten sollen für uns Junge abstimmen. Die machen das schon recht.»
Tun sie das? Fragt man die Alten, z. B. ein Senioren-Paar, tönt es so: «Wir haben abgestimmt. Es geht um UR 3 oder wie das heisst. Kantonal ist die Schule wichtig. Wie heissen die anderen Vorlagen? Ich habe es nicht durchgelesen.»
Aber auch wer sich die Mühe macht und die 90 Seiten des Abstimmungsbüchleins der kantonalen Vorlagen durchliest, hat häufig nicht den Durchblick. Eine Passantin fordert klarere Informationen: «Manchmal weiss man nicht, soll man Ja stimmen, wenn man Ja meint oder ist nicht eher ein Nein ein Ja.»
Die Frau spricht die Aargauer Initiative gegen den Lehrplan 21 an. Auf den Plakaten des Komitees prangt gross ein «Ja». Und in der Werbung der Lehrplan -21-Befürworter steht ein fettes «Nein». Wer im Aargau also gegen den Lehrplan 21 ist, muss Ja stimmen. Und wer dafür ist, legt ein Nein in die Urne.
Der Termin zählt, nicht die Menge an Vorlagen
Demokratie kann schwierig sein. Vor allem dann, wenn gleich ein Multipack an Vorlagen zu bewältigen ist. Zu verantworten hat das die Aargauer Regierung. Denn sie legt fest, wann das Volk über welche Vorlagen abzustimmen hat.
An den nationalen Abstimmungsdaten und -vorlagen kann sie natürlich nicht rütteln. Aber warum befrachtet die Regierung den 12. Februar, der schon mit drei grossen nationalen Geschäften überladen ist, auch noch mit grosskalibrigen kantonalen Abstimmungsvorlagen? Dies im Wissen darum, dass in vielen Gemeinden auch noch lokale Geschäfte an die Urne kommen.
Die Antwort des stellvertretenden Regierungssprechers Michel Hassler: «Abstimmungen über Referenden oder Initiativen, die vom Grossen Rat behandelt worden sind, legt die Regierung immer am nächsten möglichen eidgenössischen Abstimmungstermin zum Entscheid vor.»
Die Regierung wählt immer den nächsten möglichen eidgenössischen Termin.
Heisst das also, dass es wieder einmal zu einer ähnlichen Konstellation wie am 12. Februar kommen kann? «Mit der geltenden Praxis kann es durchaus vorkommen, dass mehrere kantonale Vorlagen an einem Abstimmungsdatum angesetzt werden», sagt Hassler. «Es dürfte schwierig sein, sachliche Kriterien zu finden, die ein anderes Vorgehen legitimieren würden.»