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Initiative «Kinder ohne Tabak» Was strengere Tabakwerbeverbote für die Wirtschaft bedeuten

Dass Rauchen hohe Gesundheitskosten verursacht, ist unbestritten. Weniger klar ist, wie hoch die wirtschaftlichen Kosten im Vergleich zum Nutzen ausfallen. Eine Schätzung des Bundes hilft den Befürwortern.

Tabakwerbung soll keine Minderjährigen mehr erreichen: Das verlangt eine Initiative, über die im Februar abgestimmt wird. Die Gegner warnen, diese Einschränkung würde «grossen wirtschaftlichen Schaden» anrichten. Die Befürworter halten dagegen, Rauchen schade der Wirtschaft deutlich mehr als Werbeverbote – und erhalten für ihre Argumentation Unterstützung vom Bund. Dies, obwohl der Bundesrat gegen die Initiative ist. 

Das will die Initiative

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Die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» will Tabakwerbung überall dort verbieten, wo sie für Kinder und Jugendliche sichtbar ist. So zum Beispiel auf Plakaten, in der Presse, im Internet und Kino, in Kiosken oder an Veranstaltungen.

Erlaubt wäre weiterhin Werbung, die sich nur an Erwachsene richtet oder sich an Orten befindet, zu denen Minderjährige keinen Zugang haben.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab und stellen ihr stattdessen mit dem neuen Tabakproduktegesetz einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Am 13. Februar 2022 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Initiative ab.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schätzt den wirtschaftlichen Gesamteffekt der Initiative auf mehrere 100 Millionen Franken pro Jahr. So hoch wäre also der Nutzen der Initiative abzüglich der wirtschaftlichen Kosten.  

Für die Schätzung wurden primär folgende Faktoren und Annahmen einbezogen: Bei einem Ja zur Initiative würden zwar die Regulierungskosten zunehmen und die Unternehmensgewinne sinken. Gleichzeitig würden aber auch die Gesundheitskosten zurückgehen, weil weniger Schweizerinnen und Schweizer mit dem Rauchen anfangen würden. Zudem gäbe es tiefere Produktivitätsverluste aufgrund von Raucherpausen am Arbeitsplatz.

Gegner warnen vor gefährdeten Arbeitsplätzen

Mitte-Nationalrat Philipp Kutter, der im Nein-Komitee sitzt, bemängelt: «Die volkswirtschaftlichen Kosten sind vom Bund zu tief berechnet worden, beispielsweise in Bezug auf die Steuereinnahmen.» Die Höhe möglicher Steuerausfälle ist umstritten, klar ist jedoch, dass ein Punkt nicht in die Schätzung eingeflossen ist: Sponsorings durch die Tabakunternehmen. Sie würden durch strengere Regeln mindestens teilweise verhindert.

Das BAG teilt auf Anfrage mit, es lägen keine Zahlen zum heutigen Umfang des Sponsorings vor. Ausfälle von Werbeeinnahmen sind hingegen in der Schätzung einberechnet.

 Die Gegner der Initiative warnen auch vor einem Verlust von Arbeitsplätzen in der Tabakbranche. Flavia Wasserfallen, die im Initiativ-Komitee sitzt, hält dagegen: «Alle Entwicklungen, die in Richtung einer tieferen Raucherquote gehen, haben gezeigt, dass man nicht nur Kosten einsparen kann, sondern auch neue Arbeitsplätze entstehen.»

An der Produktion und Vertrieb von Tabakprodukten hängen in der Schweiz rund 4600 Arbeitsplätze. Die Autoren einer Studie , die das BAG in Auftrag gegeben hat, rechnen damit, dass sich nach der Einführung strikterer Werbeverbote viele Arbeitsplätze in andere Branchen verschieben würden. Dies, weil das Geld statt für Zigaretten andernorts ausgegeben würde.  

Auch Gegenentwurf will Werbung einschränken

Die Initiative ist nicht der einzige Weg, Tabakwerbung einzuschränken. Das Parlament hat einen Gegenentwurf beschlossen, der nächstes Jahr in Kraft tritt. Damit dürften die Unternehmen beispielsweise nicht mehr mit Plakaten werben, aber weiterhin Inserate in der Presse schalten.

Der Bund rechnet damit, dass auch der Gegenentwurf einen positiven wirtschaftlichen Effekt hat. Dieser wird auf 200 bis 500 Millionen Franken pro Jahr geschätzt – und wäre damit gemäss BAG tiefer, als bei der Initiative.

Tagesschau, 29.12.2021, 19:30 Uhr

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