Im Aargau wurden beide Vorlagen an der Urne angenommen, die Steuerreform und die Amtsenthebungsinitiative. Die Steuerreform wurde mit 56.8 Prozent angenommen und wird rückwirkend per 1. Januar umgesetzt. Von ihr profitieren 1300 Firmen im Aargau. Kanton und Gemeinden fehlen allerdings damit Steuereinnahmen. Es geht um total rund 123 Millionen Franken jährlich. Mittelfristig wird allerdings damit gerechnet, dass mehr Unternehmen in den Kanton Aargau ziehen und hier Steuern bezahlen.
Mit tieferen Steuern für Unternehmen soll der Aargau ins Mittelfeld der Kantone vorrücken. Firmen, die mehr als 250'000 Franken Gewinn erzielen, müssen weniger Steuern zahlen – 15.1 Prozent anstatt 18.6 Prozent. Die Senkung der Gewinnsteuern wird gemäss Berechnungen des Regierungsrats zu Mindereinnahmen des Kantons von 30 Millionen Franken für das Jahr 2022 bis 90 Millionen Franken für das Jahr 2024 führen. Bei den Gemeinden fallen 14 Millionen bis 42 Millionen Franken weg.
Die Änderung im Steuergesetz betrifft nicht nur Firmen. Privatpersonen können neu höhere Abzüge für die Krankenkassenversicherung und die Sparkapitalzinsen machen. Diese wurden seit 20 Jahren nicht mehr angepasst. Ehepaare und gemeinsam besteuerte Paare können eine Pauschale von 6000 Franken statt nur 4000 Franken abziehen. Für Einzelpersonen beträgt der Pauschalabzug neu 3000 Franken statt wie bisher 2000 Franken.
Erleichterte Sieger, mahnende Verlierer
Die Parteien waren sich bei der Steuergesetzrevision nicht einig. Bürgerliche waren dafür, Linke dagegen. Der Aargau müsse als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben, alle Steuerzahlenden würden profitieren, sagten die einen. Wegen der Mindererträge komme es zu einem Leistungsabbau oder zu Steuererhöhungen in den Gemeinden, sagten die anderen. Linke Parteien hatten das Referendum ergriffen, deshalb musste das Volk entscheiden.
FDP-Grossrat Silvan Hilfiker zeigte sich nach der Abstimmung erleichtert. Die Kampagne der Gegnerschaft sei in sehr präsent gewesen: «Ich war in den letzten Wochen verunsichert. Aber jetzt bin ich umso zufriedener. Die Revision entlastet auch Privatpersonen, das hat uns geholfen», analysiert er das Ja zur Vorlage.
Die Revision entlastet auch Privatpersonen, das hat uns geholfen.
Enttäuscht ist hingegen SP-Grossrätin Carol Demarmels. Die Strategie der Bürgerlichen, dass man die Firmensteuersenkung mit einem kleinen Steuergeschenk an Privatpersonen verknüpft habe, sei aufgegangen, findet sie. «Hätte man beides getrennt, wie wir das gefordert haben, hätte das Resultat anders ausgesehen.»
Wir wollen uns dezidiert gegen jede Kürzung wehren.
Weiter ist für die SP-Grossrätin klar, dass man den Bürgerlichen und der Regierung auf die Finger schauen werde: «Wir wollen uns dezidiert gegen jede Kürzung wehren, die wegen dieser Steuerreform diskutiert wird, in der Bildung, in der Klimapolitik, in der Pflege», hält Demarmels fest.
Regierungsräte können abgesetzt werden
Auch die zweite Vorlage im Aargau, die Amtsenthebungsinitiative der ehemaligen BDP, ist angenommen worden. Das Resultat war mit 84.3 Prozent Ja-Stimmen deutlich. Die Initiative ist seit 10 Jahren die erste Volksinitiative im Aargau, die angenommen worden ist. Am Höchsten war die Zustimmung im Bezirk Muri mit über 64 Prozent Ja, am Tiefsten in den Bezirken Aarau, Brugg und Laufenburg mit gut 52 Prozent Ja-Stimmen.
Mit einem Satz in der Verfassung wird die Möglichkeit geschaffen, dass auch Regierungsräte oder Grossrätinnen in besonders schweren Fällen des Amtes enthoben werden können, bei Amtsmissbrauch oder gesundheitliche Problemen, zum Beispiel. Bis jetzt können im Aargau Regierungsrätinnen und Grossräte nur alle vier Jahre bei den Wahlen wieder- oder abgewählt werden. Für die Amtsenthebungsinitiative waren die Regierung sowie alle Parteien ausser der FDP.
Bernhard Guhl (ehemaliger BDP-Nationalrat) hat die Initiative im Aargau lanciert und ist froh über das Resultat. Das Anliegen sei für Ausnahmesituationen berechtigt, findet er. Das deutliche Resultat freut ihn. Anders denkt FDP-Präsidentin Sabina Freiermuth. Das Anliegen habe ein gewisses Mass an Populismus, man habe mit diesem Resultat leider rechnen müssen, gibt sie zu.
Nach der Annahme an der Urne muss ein Gesetz erarbeitet werden, welches das Anliegen umsetzt. Vorbild soll die Regelung im Kanton Graubünden sein, wo drei Viertel des Kantonsparlaments die Macht haben, eine Regierungsrätin, einen Regierungsrat, eine Grossrätin, einen Grossrat abzusetzen. Da solche Verfahren aber länger dauern und gerichtlich anfechtbar wären, ist nicht klar, wie viel mit der Annahme der Initiative im täglichen Politgeschäft wirklich ändert.
Im Kanton Aargau lag die Stimmbeteiligung am Sonntag bei 37.55 Prozent.