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Erste SRG-Umfrage Mehrheit für Klimaschutz-Gesetz, aber Mobilisierung läuft noch

Die Umfrage zeigt: Von links bis ins bürgerliche Lager zeichnet sich aktuell eine Zustimmung zum Klimaschutz-Gesetz ab.

  • Rund sieben Wochen vor der Abstimmung hätten sich 72 Prozent der befragten Stimmberechtigten für das Klimaschutz-Gesetz ausgesprochen.
  • Dies ist das Ergebnis der 1. SRG-Umfrage im Auftrag der SRG SSR zur Abstimmung vom 18. Juni 2023.
  • SVP-affine Befragte stellen sich als einzige gegen die Vorlage.

Das Klimaschutz-Gesetz hält als Ziel fest, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden muss. Dabei soll der Verbrauch fossiler Energieträger nicht verboten, sondern so weit wie möglich reduziert werden. Die Vorlage enthält Richtwerte für Industrie, Verkehr und Gebäude. In den letzten zwei Bereiche dürften bis 2050 gar keine Treibhausgase mehr ausgestossen werden. Der verbleibende Ausstoss soll ausgeglichen werden.

Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative

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Ein Mensch steht vor einer riesigen Eiswand eines Geltschers.
Legende: Die Initianten der Gletscher-Initiative sehen im schwindenden Eis einen Weckruf zu mehr Klimaschutz. Keystone/Valentin Flauraud

Im November 2019 wurde die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima» (Gletscher-Initiative) eingereicht. Hintergrund der Initiative ist das Pariser Klimaabkommen, welches Staaten bis 2050 zu Netto-Null-Emissionen verpflichtet. Auch die Schweiz hat sich hierzu verschrieben. Die Gletscher-Initiative beabsichtigt, die dafür nötigen Massnahmen in die Verfassung aufzunehmen. Somit wäre der Verbrauch von Öl, Benzin, Diesel und Erdgas ab dem Jahr 2050 verboten worden. 

Bundesrat und Parlament ging dies zu weit. Die Bundesversammlung hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Gegen diese Vorlage wurde das Referendum ergriffen, weshalb es am 18. Juni 2023 zu einer Volksabstimmung kommt. Offiziell wird die aktuelle Vorlage «Klima- und Innovationsgesetz (KlG)» oder « Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit » genannt.

Der Bund will den Ersatz von Öl-, Gas- und Elektro- durch klimaschonende Heizungen mit zwei Milliarden Franken unterstützen. Betriebe in Industrie und Gewerbe, die Innovationen zur klimaschonenden Produktion einsetzen, sollen von 1.2 Milliarden Franken profitieren. Neue Steuern, Gebühren oder Vorschriften gibt es mit dem Klimaschutz-Gesetz nicht.

Zentrales Anliegen der Vorlage ist die Stärkung der Unabhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern. Laut Parlament stärkt dies den Klimaschutz und trägt zu einer sicheren Energieversorgung bei.

Ja-Vorsprung dürfte kleiner werden

Eine klare Mehrheit von 72 Prozent der an der Umfrage teilgenommenen Stimmberechtigten hätte am 1. Mai 2023 bestimmt oder eher für das Klimaschutz-Gesetz gestimmt. 25 Prozent äusserten sich eher oder klar dagegen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst gehen von einer Annahme der Vorlage am 18. Juni 2023 aus. Doch Martina Mousson, Projektleiterin bei GFS Bern, meint: «Die Dynamik kommt noch und das Nein wird sich wahrscheinlich aufbauen.»

Denn auch wenn die Ja-Seite in der Ausgangslage besser aufgestellt ist, stosse das Kosten-Argument bei den Befragten teils auf erhöhte Akzeptanz – insbesondere bei der SVP-nahen Wählerschaft.

Von links bis FDP: Mehrheit für die Behördenvorlage

Das parteipolitische Muster der aktuellen Stimmabsichten entspricht dem Schema «SVP gegen den Rest», wie es Mousson nennt. Im linken parteipolitischen Spektrum, bis hin zur GLP, ist die Zustimmung zum Klimaschutz-Gesetz äusserst hoch.

Auch die Unterstützung von den Befragten mit Sympathien für Die Mitte scheint gesichert. Jedoch wird bei den FDP-affinen Personen trotz mehrheitlicher Zustimmung mit rund einem Viertel Kritik an der Vorlage laut.

Auf der Ja-Seite befinden sich ebenfalls Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse und der Bauernverband. Hinzu kommen Umweltorganisationen sowie mehrere gesellschaftliche und kirchliche Organisationen. Der Hauseigentümerverband lehnt das Gesetz hingegen ab.

Bislang kein Stadt-Land-Graben

Regional betrachtet ist die Zustimmung aus ländlichen Gebieten minim schwächer als jene aus grösseren Siedlungsgebieten. Die Vorlage wäre trotzdem flächendeckend angenommen worden.

Beim Rückblick auf die Abstimmung zum CO₂-Gesetz im Juni 2021 stellt sich aber die Frage, ob auch beim Klimaschutz-Gesetz mit einem plötzlich steigenden Nein-Anteil zu rechnen ist. Damals brachte eine ausserordentliche Mobilisierung auf dem Land das CO₂-Gesetz zu Fall.

«Vorerst gibt es keine Anzeichen dafür», sagt Martina Mousson. Die Landbevölkerung sei zwar noch nicht stark mobilisiert, aber deutlich für das Klimaschutz-Gesetz, wie die Städte auch.

Datenerhebung und Stichprobengrösse

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Schild an einer Häuserwand
Legende: Keystone/GAETAN BALLY

Die Umfrage ist im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut GFS Bern zwischen dem 25. April und 7. Mai 2023 durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Antworten von 11’536 Stimmberechtigten für die Auswertung berücksichtigt.

Telefonisch befragt wurden 1203 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Interviews wurden per Festnetz und Handy durchgeführt.

Diese Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler beträgt ± 2.8 Prozentpunkte. Bei 1203 Befragten und einem Ergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.2 und 52.8 Prozent. Dabei sind kleinere Abweichungen wahrscheinlicher, grössere unwahrscheinlicher.

Online-Befragung

Zusätzlich wurden mehrere Tausend Personen online befragt. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 10’333 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden. Die Online-Befragung wurde über die Webportale der SRG-Medien realisiert als sogenanntes Opt-in (Mitmachbefragung).

Diese Online-Stichprobenzusammenstellung erfolgte nicht zufällig und die resultierende Stichprobe ist nicht repräsentativ. Es haben beispielsweise weniger ältere Personen als jüngere an der Online-Umfrage teilgenommen und mehr Männer als Frauen.

Deshalb hat das Institut GFS Bern die Antworten gewichtet: Den Verzerrungen in der Stichprobe wurde mittels statistischer Gewichtungsverfahren entgegengewirkt und so die Repräsentativität optimiert.

Die Aufteilung der Befragten insgesamt auf die Sprachregionen ist wie folgt: 8468 in der Deutschschweiz, 2691 in der Romandie und 377 in der italienischsprachigen Schweiz.

Wie wird gefragt?

Die befragten Stimmberechtigten hatten jeweils fünf Antwortmöglichkeiten zur Verfügung: «bestimmt dafür», «eher dafür», «weiss nicht/keine Antwort», «bestimmt dagegen» und «eher dagegen».

Für eine vereinfachte Darstellung im Artikel wurden in den meisten Fällen die Antworten «bestimmt dafür» und «eher dafür» zusammengezählt – entsprechend wurde auch mit den Antworten «bestimmt dagegen» und «eher dagegen» verfahren.

Konkret wurde etwa gefragt: «Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen werden: Wenn morgen schon über die Vorlage abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?»

Umfragen sind Momentaufnahmen

Das Forschungsinstitut GFS Bern führt zwei Umfragen zur Abstimmung vom 18. Juni 2023 durch. Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen, die Ergebnisse seien kein vorweg genommenes Abstimmungsergebnis, sondern eine Momentaufnahme zur Zeit der Befragung.

Detaillierte Informationen zur Befragungsart und den Interpretationen der Ergebnisse finden Sie auf der Website des Instituts GFS Bern .

Abstimmungsdossier

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Legende: SRF

News und Hintergründe zu den Abstimmungen vom 18. Juni 2023.

SRF 4 News, 12.05.22, 06:00 Uhr

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