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Abstimmung vom 18. Juni OECD-Mindeststeuer: Bliebe doch Zeit für eine neue Vorlage?

Finanzministerin Keller-Sutter warnt: Bei einem Nein zur Vorlage würde Steuergeld aus der Schweiz abfliessen. Nun kommen Zweifel an der Darstellung auf.

Am 18. Juni stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Einführung der OECD-Mindeststeuer ab. Konkret geht es darum, dass grosse Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 750 Millionen Franken künftig zu mindestens 15 Prozent besteuert werden sollen. In vielen Kanton liegen die Unternehmenssteuern heute tiefer.

Ein Hauptargument für diese Vorlage, das auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter immer wieder ausgeführt hat, lautet: Führt man diese Steuer nicht ein, dürfen ab 2024 andere Länder zusätzliche Steuern auf die betreffenden Firmen erheben. Bei einem Nein zur Vorlage würde also Steuergeld aus der Schweiz abfliessen.

Es ist seit Monaten klar, dass es problemlos möglich wäre, eine neue Vorlage mit rückwirkender Wirkung zu bringen.
Autor: Cédric Wermuth Co-Präsident der SP

Nun kommen Zweifel auf, ob dies wirklich die zwingende Folge eines Neins zur OECD-Mindeststeuer wäre – oder ob es auch noch Zeit für eine zweite Vorlage gäbe.

WOZ-Artikel wirft Fragen zur OECD-Vorlage auf

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Die Zweifel an der Alternativlosigkeit der Vorlage hat die Wochenzeitung (WOZ) in einem Artikel gestreut, der am Donnerstag publiziert wurde. Die WOZ veröffentlichte interne Mails aus dem Finanzdepartement, die belegen sollen, dass man sich im Departement von Karin Keller-Sutter sehr wohl Gedanken gemacht habe, wie es bei einem Nein zur OECD-Vorlage weitergehen könnte – und zwar ohne, dass die Schweiz Steuergelder verliert.

Dies könne man erreichen, indem man der Bevölkerung im Frühjahr 2024 eine neue OECD-Steuervorlage präsentiere, welche dann aber rückwirkend in Kraft treten würde, also per 1. Januar 2024, so die Überlegungen.

Dass das Finanzdepartement die Option einer neuerlichen Vorlage nicht aktiv kommuniziert hat, nervt Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP, welche die aktuelle Vorlage bekämpft. «Es ist seit Monaten klar, dass es problemlos möglich wäre, eine neue Vorlage mit rückwirkender Wirkung zu bringen.»

Neu an der Recherche der WOZ sei, dass man das offenbar auch im Finanzdepartement wisse, so Wermuth. «Und meines Erachtens hat es zumindest nicht volle Wahrheit gesagt.»

Finanzdepartement reagiert auf WOZ-Artikel

Das Finanzdepartement hat umgehend eine Richtigstellung zum Artikel der WOZ publiziert. Dort schreibt das Departement, dass Keller-Sutter nie nach der Möglichkeit einer Rückwirkung gefragt worden sei.

Eine solche Rückwirkung wäre «rechtlich natürlich immer möglich», jedoch wäre dies dann das Ergebnis eines demokratischen Prozesses, das nicht vorweggenommen werden könne.

Zu diesen Ausführungen des Finanzdepartements sagt Wermuth: «Ich habe mir das Abstimmungsbüchlein noch einmal angeschaut. Dort steht wörtlich, dass das Geld bei einem Nein ins Ausland fliessen würde. Jetzt ist klar, dass das so nicht stimmt.» Und vor diesem Hintergrund könne man nun auch wieder Alternativen zur aktuellen Vorlage prüfen, sagt Wermuth.

Das steht im Abstimmungsbüchlein

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Was passiert bei einem Nein? Ohne die vorgeschlagene Verfassungsänderung kann der Bundesrat die Mindestbesteuerung nicht umsetzen. Dann könnten andere Staaten die Differenz zwischen der tieferen Steuerbelastung und der Mindestbesteuerung gemässs OECD von 15 Prozent einziehen. Die betroffenen Unternehmensgruppen müssten die zusätzlichen Steuern im Ausland entrichten.

Quelle: Erläuterungen des Bundesrates – Volksabstimmung vom 18. Juni 2023.

Die SP ist nämlich nicht grundsätzlich gegen die Einführung der OECD-Mindeststeuer. Sie stört sich an der Umsetzung – konkret daran, dass 75 Prozent der zusätzlichen Steuereinnahmen in den Kantonen bleiben und nur 25 Prozent an den Bund fliessen sollen.

Plan B dürfte dann definitiv nicht mehr scheitern

Bei einem Nein zur Vorlage könnte man diese Verteilung noch einmal überdenken – und die Alternative liege ja bereits auf dem Tisch, so Wermuth: «Der Plan B wurde im Parlament verhandelt und wir haben ihn in allen öffentlichen Diskussionen noch einmal konkretisiert.

Der Plan schlage eine 50:50-Lösung zwischen Bund und Kantonen vor. «17 Kantone mehr als heute würden davon profitieren, und der Bund könnte die Gelder für sinnvolle Investitionen verwenden.»

Falls die Bevölkerung am 18. Juni Nein zur aktuellen OECD-Vorlage sagen würde, müssten Bundesrat und Parlament eine neue Vorlage mit rückwirkender Wirkung ausarbeiten.

Spätestens dann aber dürfte bei der Abstimmung nichts mehr schiefgehen, wenn verhindert werden soll, dass grosse Unternehmen mit Sitz in der Schweiz künftig auch im Ausland besteuert werden können.

Rendez-vous, 25.05.2023, 12:30 Uhr

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