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Abstimmungen Kanton Wallis Suizid-Beihilfe im Altersheim: überall möglich oder nicht?

Der Kanton Wallis stimmt Ende November unter anderem darüber ab, Heime dazu zu verpflichten, Sterbehilfe zuzulassen.

Beihilfe zu Suizid ist in der Schweiz erlaubt. In vielen Alters- und Pflegeheimen ist das Thema indes tabu. Rund die Hälfte der Walliser Heime verschliessen sich dem assistierten Suizid, so etwa das Seniorenzentrum in Naters, das grösste Walliser Alters- und Pflegeheim.

Ich befürchte, dass bei einer Annahme des Gesetzes ein massiver Druck auf die Bewohnenden entstehen könnte.
Autor: Albert Bass Stiftungspräsident Seniorenzentrum Naters

Dessen Stiftungsratspräsident Albert Bass wehrt sich vehement gegen die Vorlage: «Ich befürchte, dass bei einer Annahme des Gesetzes ein massiver Druck auf unsere Bewohnerinnen und Bewohner entstehen könnte. Viele sehen sich als finanzielle Last und werden dann vielleicht lieber aus dem Leben scheiden.» In seinen Augen fördert das Gesetz unüberlegte Handlungen und weckt Schuldgefühle bei denen, die weiterleben wollen. Das sei eine gefährliche Entwicklung.

Haus mit Kran
Legende: Das Seniorenzentrum in Naters wird derzeit umgebaut. Die Heimleitung wehrt sich gegen das Gesetz. SRF

Anders wird die Sachlage im Alters- und Pflegeheim Englischgruss in Brig-Glis beurteilt. Vor sechs Jahren wurde hier der Entscheid getroffen, die Türen für Sterbehilfe-Organisationen zu öffnen.

Es ist nicht an uns als Institution, moralisch zu urteilen.
Autor: Manfred Hertli Heimleiter Englischgruss Brig-Glis

Man habe sich den Entscheid nicht leicht gemacht, sagt Heimleiter Manfred Hertli. «Doch es ist nicht an uns als Institution, moralisch zu beurteilen, was die richtige Art von Sterben ist.»

Gebäude
Legende: Das Alters- und Pflegeheim Englischgruss in Brig-Glis hat vor sechs Jahren entschieden, Sterbehilfe zuzulassen. SRF

Für Manfred Hertli ist die Autonomie der Bewohnerinnen und Bewohner das Wichtigste. «Wir begleiten Betroffene in jedem Fall mit palliativen und seelsorgerischen Massnahmen. Auch bei uns steht die Bejahung des natürlichen Todes im Vordergrund. Es ist für uns jedoch absolut gleichwertig und möglich, einen anderen Weg zu gehen.»

Klare Mehrheit im Kantonsparlament

Das neue Gesetz will nun einheitliche Rahmenbedingungen für Beihilfe zum Suizid in den Institutionen schaffen. Im Walliser Kantonsparlament, dem Grossen Rat, wurde es mit einer klaren Mehrheit von fast zwei Drittel angenommen. Im deutschsprachigen Wallis ist die Vorlage stärker umstritten, vor allem die Mitte und die SVP bekämpfen das Gesetz.

Pflegeperson hält die Hand einer Patientin, eines Patienten
Legende: Mit dem neuen Gesetz können Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr gezwungen werden, das Pflegeheim zu verlassen, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Shutterstock/Patrick Thomas

Romano Amacker, Präsident der SVP Oberwallis, begründet folgendermassen: «Der Tod ist etwas sehr Persönliches. Es gibt Altersheime, die sich entschieden haben, die assistierte Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten zuzulassen und andere haben sich dagegen ausgesprochen.» Ihm ist die Autonomie der Heime sehr wichtig. «Es ist falsch, dass man die Altersheime zwingen und damit bevormunden will, die Sterbehilfe anzubieten.»

Autonomie für wen?

Die Gegner pochen also auf die Autonomie der Heime – die Befürworter auf die Autonomie des Individuums. Claudia Alpiger, Co-Präsidentin der SP Oberwallis, sagt: «Es geht hier vor allem um die Achtung der Autonomie der Heimbewohnerinnen und -bewohner und somit auch um ihr Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und wie sie aus dem Leben scheiden wollen. Es kann nicht sein, dass sich ein Heimbewohner zum Sterben ein Hotelzimmer nehmen muss.»

Sollte die Abstimmungsvorlage am 27. November angenommen werden, wäre der Kanton Wallis einer der wenigen Kantone in der Schweiz, welche die Beihilfe zum Suizid in Alters- und Pflegeheimen gesetzlich geregelt haben.

Abstimmung auch über Familienzulage

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Mutter und Kinder
Legende: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Im Kanton wird auch über höhere Familienzulagen abgestimmt. Hintergrund ist folgender: Mit den neuen Bestimmungen des kantonalen Ausführungsgesetzes über die Familienzulagen werden die Zulagen für Walliser Familien erhöht.

Die den Walliser Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vorgeschlagenen Gesetzesänderungen gehen auf die Volksinitiative «Mehr Familienzulagen für Ihre Kinder» vom September 2019 zurück.

Der Staatsrat befürwortet die Initiative und hat sie im August 2020 dem Grossen Rat überwiesen. Dieser hat einen Gegenentwurf ausgearbeitet und diesen am 16. Dezember 2021 angenommen. Das Gesetz wird zur Abstimmung unterbreitet, da gegen die neuen Bestimmungen erfolgreich das Referendum ergriffen wurde.

Die Kinderzulage soll pro Kind und Monat von 275 Franken auf 305 Franken und die Ausbildungszulage für Jugendliche von 425 Franken auf 445 Franken erhöht werden.

Schweiz aktuell, 4.11.2022, 19:00 Uhr

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